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Bremen - die Wiederentdeckung

Blu & die Mühle am Wall
Blu & die Bremer Stadtmusikanten
Blu & die "Gute Stube"
Blu & das Schnoor-Viertel
Blu & die Schlachte
Blu & der Martinianleger

Die Ferrero-Bahn-Gutschein-Saison ist in vollem Gange, heute geht es also nach Bremen. Vor langer Zeit war ich dort schon einmal, es wird also Zeit, meine eigenen Spuren zu verfolgen.

Die übliche Startzeit vom Düsseldorfer Hauptbahnhof, 06:32 Uhr, XX steht sicher in unserer Eintrachtstraße. Es stürmt etwas, aber mein übliches Glück mit dem Wetter wird es schon richten. Hoffe ich. Der Zug, eine Direktverbindung, ist pünktlich. Erstmal umgedreht & noch 'ne Runde gepennt (Credits gehen an Fettes Brot), bis Münster ist ja alles sehr bekannt. Das Wetter ist nur stellenweise schlecht, ich bin da immer noch sehr zuversichtlich.

Bremen kommt schneller als erwartet & ich stolpere auf den Bahnsteig. Und ja, was soll ich sagen, ich erkenne nichts wieder. Das ist einerseits faszinierend, andererseits arg schockierend. Der Bahnhof ist von innen keine Pracht, von außen dagegen schon nicht schlecht. Daran & an die Straßenbahnhaltestellen kann ich mich erinnern, ansonsten ist das quasi die Neu-Entdeckung einer Stadt, in der ich doch schon war. Ich gehe Richtung Stadt, es fängt an richtig zu regnen & ich befürchte schon das Schlimmste, aber ich bekomme nur diesen einen Schauer ab. 

Die Mühle am Wall gefällt mir & die gerade geschlüpften Krokusse runden das Bild ab. Ich lasse die Wallanlagen aus, da die im zeitigen Frühjahr noch einen etwas trostlosen Eindruck machen. Bevor ich die Altstadt erkunde, muss ich einen kurzen Stopp im Kaufhof einlegen, da es mir ohne Kopfbedeckung definitiv zu windig ist. Der bemalte Straßenkasten ist eine Zufallsentdeckung. Von da aus arbeite ich mich die Obernstraße Richtung Markt vor. An die Beck's Häuser erinnere ich mich ganz gut & ja, an die Bremer Stadtmusikanten natürlich auch. Dann hört es aber auf. Obwohl das Bremer Wahrzeichen eigentlich recht unscheinbar an einer Seitenwand des Rathauses positioniert ist, hat es wenig Einfluss auf seine Beliebtheit, wie die golden-glatt geriebene Schnauze & Beine des Esels zeigen. Es bringt wohl Glück. Und für ein Foto muss man sich fast anstellen.

Der Marktplatz ist wirklich beeindruckend, dieses Ensemble aus Rathaus, Haus Schütting, St. Petri Dom & den stattlichen Bürgerhäusern. Nicht zu vergessen der "Roland" - er ist nicht die einzige Rolandsfigur im norddeutschen Raum, aber sicher einer der größten & bekanntesten. Für die Bremer ist es seit Jahrhunderten das Sinnbild ihrer Freiheitsliebe, die die Hansestadt bis heute bis auf zwei kurze Unterbrechungen immer behalten hat - und solange der Roland steht, wohl auch glaubt, immer behalten zu können. Um ihn im Zweiten Weltkrieg zu schützen, hat man ihn ummauert & die Zwischenräume mit Sand gefühlt - so wichtig war er ihnen & was darüber hinaus sichtbar funktioniert hat. Den Marktplatz nennen die Einheimischen wohl die "gute Stube", er wirkt in sich geschlossen, lässt aber die angrenzenden Plätze (nachgelesen Domshof, Domheide & Unser Lieben Frauen Kirchhof) durchblicken. Instinktiv mache ich das, was man als Tourist wohl machen sollte, um sich einen Überblick zu verschaffen - in die Mitte des Platzes stellen & diese historischen Schönheiten bewundern. Im krassen Gegensatz dazu steht das moderne Haus der Bürgerschaft, wo Bremens Landes- & Stadtparlament tagt - weshalb ich es auch gar nicht berücksichtigt habe zu fotografieren. Es zerstört einfach die Schönheit des Platzes. Das Rathaus gefällt mir sehr gut, man könnte es ewig anstarren, weil es baulich jede Menge Details bietet. Leider bin ich nicht auf die Idee gekommen, mal reinzugehen. Stattdessen habe ich mir im Tonkeller eine Kleinigkeit mitgenommen, die jetzt Teil meiner Wohnung ist.

Ich gehe am Haus der Bürgerschaft vorbei & stehe vor der Baumwollbörse, das hört sich interessant & witzig an, ich traue mich aber nicht rein. Im Nachhinein schade. Durch eine kleine Passage gelange ich zum Dom, der schon beeindruckend, aber leider gerade aufgrund der Mittagsmesse geschlossen ist. Ich begnüge mich erstmal mit der Außenfassade & umrunde ihn, komme an der Markthalle vorbei & dann immer der Nase nach, das nächste Ziel ist das älteste Viertel Bremens, das Schnoor. Ich bin gespannt, was mich da erwartet, mir wurde es im Vorfeld wärmsten empfohlen. Doch bevor ich es erkunde, lege ich erstmal eine kurze Mittagspause im Café im Schnoor ein - auch wenn die belegte-Brötchen-Bestellung nicht so leicht war, schmeckt es & ist ausgesprochen gemütlich. 

Es dauert nicht wirklich lange & ich bin ins Schnoor verliebt. Es ist klein, einmalig & bietet so viele hübsche, kleine Läden mit so viel Individualität, dass man gerne überall etwas mitnehmen würde. Ich muss mich seltenerweise sehr zurückhalten, nicht zu viel zu kaufen. Der Name Schnoor leitet sich tatsächlich von Schnur ab - weil die Häuser alle wie an einer Schnur aufgereiht sind. Immerhin kommen hier rund 100 Häuser auf eine Fläche von ca. drei Fußballfeldern. Dafür ist es eines der beliebtesten (Touri-) Orte Bremens. Geschichtlich hat es einige Entwicklungen hinter sich - erst siedelten sich die Fischer & Schiffer an, mit der Balge & den damit verbundenen Brücken kamen Handwerker & Händler dazu, danach wurde das Viertel wohlhabender, bevor eben diese Leute in die besseren Vorstädte zogen & die Arbeiter bzw. armen Leute wieder hierhin zogen. Inzwischen hat man das Viertel baulich wieder voll aufgewertet & ist jetzt eben dieser beliebte, kleine, sehr hübsche Ort in Bremen. Fast eine Kleinstadt in der Großstadt.

Das Zitat des Tages stammt von einem der Erzähler des Bremer Geschichtenhauses, der gerne Touristen anlocken wollte & in typisch norddeutscher Art einfach mal jeden fragte: Wie heißt es? Wer das Bremer Geschichtenhaus nicht kennt, hat...? Und ich so, nicht gesehen? Na gut, er hatte Recht, an der Rhetorik muss ich wohl noch arbeiten.

Wenig später stehe ich am Anleger 4 an der Kaiser-Wilhelm-Brücke, hier liegt das Theaterschiff, was mir so gar nicht so sehr ins Auge gefallen ist. Schon im Schnoor-Viertel kam die Sonne raus, jetzt sieht man auch den blauen Himmel & mein Wetter-Glück hält mir wohl die Treue. Im ersten Moment ist mir gar nicht bewusst, dass ich hier an der Weser stehe - eben dem Fluss, der aus den beiden Flüssen meiner Heimat entsteht, der Fulda & der Werra. Ich weiß nicht wieso, aber das überrascht mich doch etwas. Als ich das letzte Mal in dieser Stadt zu Gast war, habe ich noch einen Spaziergang an der Weser zum gleichnamigen Stadion gemacht. Jetzt stehe ich aber hier, auf dem Weg zur Schlachte, dem alten Hafen Bremens. Der Martinianleger ist nach der alles überragenden Kirche benannt. Gegenüberliegend des Schlachte-Ufers stehen einige moderne Bauten, erst beim "Aufarbeiten" der Bilder wird mir bewusst, dass ich auf die schmale Spitze der Teerhofinsel schaue - also, dass es eine Insel ist.

Während ich mich noch am schönen Wetter & der Weser erfreue, bemerke ich das Schiff aller Schiffe (aus persönlicher Sicht), die Alexander von Humboldt - seit ich klein bin, bin ich in dieses Segelschiff verliebt. Und jetzt stehe ich davor. Mein absolutes Highlight, womit ich nicht gerechnet habe. Auch ohne ihre offenen Segel ist sie prächtig anzusehen. Direkt daneben liegt die Admiral Nelson, auch nicht zu verachten. Die historischen Speicherhäuser runden das Ganze ab, es ist ein schönes Plätzchen - was nicht nur ich, sondern an besseren Tagen auch unzählige Andere so empfinden.

Über die Teerhofbrücke gelange ich auf die gleichnamige Insel. Die neuartigen Häuserkomplexe erinnern an Speicherhäuser & Hamburg. Ich frage mich, ob ich hier wohnen wollen würde & ich bin mir nicht sicher. Ein bisschen schaue ich mir hier um, auch auf der anderen Seite - keine Ahnung, wieso mir da nicht aufgefallen ist, dass es ja eine Insel in der Weser ist. Für das Nachmittagspäuschen suche ich mir ein z.T. sonniges Plätzchen auf einer Kaimauer mit Blick auf die beiden großen Schiffe am Martinianleger & die Schlachte. Ich komme nicht drum rum, dass dieses durchwachsene Frühlingswetter fantastisch hier hin passt. Einfach schön. Frachtschiffe auf der Weser sehen irgendwie überdimensional groß aus, verglichen mit meinem Rhein. Auf dem Rückweg in die Altstadt kann ich den Spiegelungen im Fenster der alten Speicherhäuser nicht widerstehen. Das nächste Ziel ist die Böttcherstraße.

Die Böttcherstraße ist wohl mit eine der Hauptattraktionen in Bremen - jedenfalls ist es jetzt, nachmittags, reichlich mit Touris überladen, die sich durch die schmale Gasse schieben. An Ort & Stelle weiß ich noch nicht mal, was diese Straße eigentlich ausmacht, außer die hübschen alten Häuser. Hier gibt es jede Menge Kunsthandwerker-Läden, viel Schmuck, etwas zu essen & ein Glockenspiel, was für viele meiner Mitstraßenbesucher ein Highlight ist. Aufgrund der erhöhten Besucherzahlen ist mir das aber alles irgendwie zu viel & ich mache nur kurz einen Abstecher zum Brunnen der Faulen Sieben. Der ist recht unscheinbar in einem "Hinterhof" untergebracht, dabei ist er schon etwas besonderes. Genauso wie die Bremer Bonbon Manufaktur dahinter, ich komme nicht umhin, auch ich kaufe ein paar Bonbons & das habe ich nie bereut, die sind wirklich lecker.

Im Nachhinein weiß ich, dass die Straße in früheren Zeiten als Verbindung vom Marktplatz zum Hafen für Handwerker sehr lukrativ war. Benannt ist sie nach den Böttchern, deren Fässer mit Waren befüllt auf den Segelschiffen ihre Verwendung fanden. Mit Verlegung des Hafens verlor die Straße ihre Attraktivität & wurde von einem großen Kaufmann nach & nach aufgekauft, der aus der Straße ein Kulturzentrum der 20er Jahre machte.

Aufgrund des recht schönen Wetters nehme ich noch einmal den Marktplatz auf, der jetzt, mit den veränderten Lichtverhältnissen, ganz anders aussieht. Außerdem kann ich den Dom besichtigen, aber leider nicht den Turm besteigen, denn das geht nur von April bis Oktober - wie blöd ist das denn? ... Muss ich wohl ein weiteres Mal wiederkommen.  Ein Schauer zieht wohl vorbei, während ich in der Kirche bin & lässt das Kopfsteinpflaster glänzen. Ich gönne mir noch eine Kaffeepause, bevor der Abend anbricht.

Durch die Stadt & an der Handwerkskammer vorbei erreiche ich die Bürgermeister-Smidt-Brücke, wo ich noch einen sonnigen Blick auf die Schlachte-Seite riskiere, bevor ich am Weserufer Richtung Stephanibrücke laufe. Ein richtiger Sonnenuntergang wird schwierig, aber die Abendstimmung an sich ist unschlagbar. Und die untergehende Sonne durch die Eisenbahnbrücke, die parallel zur Stephanibrücke verläuft, erzeugt ein Bild, was unbezahlbar ist. Für mich jedenfalls. Nicht zu unterschlagen sind auch die wunderschön spiegelnden Fassaden des Steigenbergers & des überragenden Wesertowers. Alles in allem habe ich wohl wieder das richtige Wetter zur richtigen Zeit. 

Ich überquere die Weser & gehe an der Becks Brauerei vorbei. Ja, es riecht hier tatsächlich nach Bier. Bei Jacobs riecht es allerdings nicht nach Kaffee. Der Blick aufs gegenüberliegende Ufer ist fantastisch. Nur merke ich hier, dass niedrige Verschlusszeiten mit dem neuen Objektiv nicht mehr so einfach zu handhaben sind wie zuvor. Bald brauche ich das Stativ.

Über die Brautbrücke geht's über die Kleine Weser auf die Teerhofinsel zurück. Pünktlich zur blauen Stunde.

Der Blick auf die Alexander von Humboldt & die Martinikirche ist nicht nur bei Tag eines meiner Lieblingsmotive gewesen, auch jetzt zur Blauen Stunde, der Dämmerung, ist es einfach unglaublich schön. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist das perfekte Wetter für diese Art von Fotos. Im Nachhinein bin ich selbst überrascht, wie gut das Ergebnis geworden ist. Auch die Aussicht von der Teerhofbrücke auf die Weser, die beleuchteten Schiffe, Ufer & Häuser ist einmalig, der Himmel mit seinen Wolken rundet das Ganze ab. Lediglich der nach wie vor recht starke Wind & die in sich etwas wacklige Brücke sind eine Herausforderung für das Stativ. Und mich. Auch in der Altstadt versuche ich mich noch an einigen Nachtfotografien, allerdings drängt die Zeit ein wenig, mein Zug kommt bald, auch wenn er etwas Verspätung hat. Voll ist der leider auch noch. Aber ich finde einen Sitzplatz, zwischen Bausparern (Joey, die Passage ist fast nur für dich), einer davon ist hübsch. Ich entspanne ein bisschen, Fettes Brot schreibt den Soundtrack. Der Typ schräg gegenüber bekommt meine Aufmerksamkeit & ich dann seine. Aber der Zug ist voll, ich habe keine Ahnung vom Kurve-Kriegen & der Typ steigt in Duisburg aus. Ich in Düsseldorf & ich bin froh drum. XX. Nach Hause.

Ich mag Bremen. Trotz der Großstadt ist es irgendwie klein & es hat einen eigenwilligen Flair. Ich habe bei Weitem nicht alles gesehen, aber das Wenige hat mich doch schon in seinen Bann gezogen.

Am Ende habe ich die Stadt für mich neu oder wieder entdeckt - vielleicht sollte man das hin & wieder öfters tun.

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