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Frankfurt am Main. Oder Mainhattan

Blu & der Maintower
Blu & die Deutsche Bank
Blu & der Opernplatz
Blu & die Skyline
Blu & der Römer
Blu & der Main

Es ist die erste Reise mit der Bahn diesen Jahres, ein bisschen mehr gezwungen als wirklich gewollt. Noch dazu ist es Mitte Januar. Kann man da wirklich viel erwarten? Mit ein bisschen gemischten Gefühlen sehe ich der heimlichen Hauptstadt meines Heimat-Bundeslandes entgegen.

Düsseldorf Hauptbahnhof, Abfahrt 06:27 Uhr via Köln, Bonn, Koblenz, linksrheinisch. Es liegt ein bisschen Schnee. Die Loreley, schon lange her, dass ich dich gesehen habe. Irgendwann geht der Schnee, das Grau bleibt. In Mainz verpasse ich den Anschlusszug. Gefühlt ist das ein sehr kleiner Bahnhof. Mit Unmengen an Pendlern & anderen Reisenden quetsche ich mich in einen RE, der hier mal so gar nicht von der DB bedient wird. Stehend geht's über den Rhein (oder war es schon der Main? Nein, Rhein.), am Opelwerk (Industriecharme 2.0), dem Regionalbahnhof des Frankfurter Flughafen (den hatte ich schon wieder verdrängt) & der Commerzbank Arena (Waldstadion ist definitiv der bessere Name gewesen) vorbei. Und dann ist er da, der Frankfurter Hauptbahnhof. Wenn ich einen Bahnhof immer wieder sofort erkennen würde, dann diesen. Nie vergessen sind die Sprints über die Bahngleise, um mit 50% Chance den Zug zu verpassen. Willkommen zurück.

Vom Bahnhof aus geht's ins bekannte Bahnhofsviertel, aber die wirklich kritischen Ecken lasse ich aus. An die lange Kaiserstraße kann ich mich erinnern. Eigentlich sind die Häuser hier hübsch - aber wahrscheinlich erfüllt jedes Bahnhofsviertel dieser Welt das Klischee des (etwas mehr oder weniger) heruntergekommenen ehemaligen Bürgerviertels, einst aufstrebend & modern, zwischenzeitlich vernachlässigt & abgerockt, in den letzten Jahren wieder das angesagte Szeneviertel. Trotz des schlechten Rufs & hohen Ausländeranteils erlebt es die Renaissance auf seine Art, Typisch untypisch.

Ein wenig plötzlich stehe ich an der Gallusanlage & somit vor der Skyline Frankfurts. Da sind sie also, die wohl bekanntesten Hochhäuser dieses Landes. Das muss ich erstmal verarbeiten & irgendwie begreifen. Ich betrachte sie lange, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie man auf die Idee kommt, so etwas zu bauen & dann einen Großteils seines Lebens darin zu verbringen. Sie sind faszinierend - im Guten wie im Schlechten. Da stehe ich also, vor Eurotower, Taunusturm, Commerzbank Tower & Maintower, auf der anderen Seite Skyper, Marienturm und die Zwillingstürme der Deutschen Bank - nur um mal ein paar Namen zu nennen. Und merke, wie reichlich schlecht man sie fotografieren kann. Vor allem mit einem Weitwinkel, der alles seltsam verzerrt. Und erschwerend hinzu kommt der graue Himmel. Kalte Riesen vor kalter Kulisse. 

Aus welchen Gründen auch immer hatte ich mehr von diesen Wolkenkratzern (das deutsche Wort musste ich ernsthaft nachlesen) in Erinnerung, ich bin fast etwas enttäuscht. Ich gehe durch die ein oder andere Straßenschlucht. Für ein Foto kann man schon mal auf der Straße stehen bleiben. Ein Düsseldorfer verursacht ein südhessisches Hupkonzert - und ich bin es nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Größe der Skyscraper durch die übrigen hohen Häuser der Stadt etwas relativiert werden. Wo man wieder beim Gedanken wäre, Höhe ist immer relativ. In diesem Fall variiert die Höhe der Wolkenkratzer zwischen gut 100 Meter bis zu 259m (die Commerzbank hat wirklich alles gegeben), Fernsehturm mit 337,5m ausgenommen. Alles darunter ist zwar immer noch viel zu groß für diese Welt, aber im Verhältnis klein. Egal wie hoch sie am Ende sind, sie überragen einfach alles. Frankfurt besitzt nicht umsonst 15 der 16 deutschen Wolkenkratzer & nur drei Städte in Europa haben mehr dieser Türmchen. Mainhattan eben.

Ich komme jetzt vom Bankenviertel Richtung Innenstadt, vorbei am Steigenberger (der Smart super passend) und dem krassen Gegensatz des Kaiserplatzes mit dem unmittelbar dahinter liegenden Commerzbanktower. Genauso unpassend wirken die Denkmäler von Goethe & Gutenberg vor dem Commerzbanktower - oder eher der Commerzbanktower mit den Denkmälern?

Auch die Hauptwache mit der St. Katharinenkirche bleibt nicht verschont vor einem Bild mit dem wirklich alles überragenden Turm der Commerzbank. Man könnte meinen, es gäbe keinen besseren Vertreter für das Symbol der wirtschaftlichen Macht & dem Streben nach Wachstum - kurz gesagt, dem Wolkenkratzer. Und nein, das ist keine Schlcichwerbung.

Hatte ich übrigens erwähnt, dass es ordentlich kalt ist? Hin und wieder betrete ich eins der vielen Geschäfte, um mich ein wenig aufzuwärmen. Ich schlendere die durch die (unzähligen) Straßen. Thurn & Taxis, das Palais Frankfurts. Dahinter, natürlich, ein Wolkenkratzer, was denn sonst, der Nextower, für alle, die es interessiert. Auch das Eschenheimer Tor lässt sich nicht ohne Hochhaus der Superlative fotografieren. Ich bekomme eine Ahnung davon, dass hier Geschichte unmittelbar neben Moderne steht - vielleicht so kompakt wie nirgends sonst in diesem Land. Durch die Bockenheimer Anlage (im Sommer wäre es etwas Grün in der Stadt) gelange ich zur Alten Oper. Von da aus weiter durch die Stadt, an der Börse vorbei (leider völlig zugestellt dank einer Veranstaltung, war sie von der IHK?). Ich gebe zu, diese Stadt ist strukturtechnisch nicht sofort zu durchschauen, Maps kommt einmal mehr zum Einsatz. Das Shopping Center MyZeil darf natürlich auch nicht fehlen. Und die beste Currywurst bei Beschte Worscht auch nicht. Am Ende lande ich in der Kleinmarkthalle, richtig heimelig hier. Nicht ganz so überdimensioniert.

Wenig später stehe ich vor einem weiteren Wahrzeichen der Stadt. Dem Dom. Genauer gesagt, dem Kaiserdom St. Bartholomäus. Imposant, keine Frage. Wie man sieht, auch so ein Gebäude, wo kein Foto richtig gelingen will. Begehbarer Turm - unausweichlich, das muss ich machen. Der freundliche Mann am Schalter fragt mich, ob ich denn die nächste Zeit in die Berge fahren würde, mit dem Rucksack sähe ich ja so aus. 328 Stufen, 66m, aber ich sei ja sportlich, kein Problem. Natürlich nicht. Naturtalent in Turmbesteigungen. Und für die Aussicht würde ich das jederzeit wieder tun. Trotz grauen Himmel ist die nämlich ziemlich grandios. Ich nehme mir jede Menge Zeit, die Stadt bis in Kleinste auszuspähen. Da bietet sich so die ein oder andere Perspektive. Und schlussendlich dreht sich alles um die Skyline. Ausgezeichnete Investition von 3€. 

Einziges Manko, so ganz allein war ich nicht. Eine (spanische?) Mädelsgruppe fand die Aussicht auch ganz gut. Und der Drehwurm auf den Weg nach unten ist auch nicht zu verachten.

Über die neue Altstadt geht's Richtung Römer. Einen Teil der Häuser der Neuen Altstadt hat man original rekonstruiert, die anderen neu aufgebaut. So sieht es hier auch aus. Ziemlich neu. Die Stadttouristik wirbt mit einem Satz, den auch ich schon öfters heute gedacht habe: eine gelungene Mischung (darüber bin ich mir ehrlicherweise noch nicht ganz sicher) aus Alt und Neu, aus Geschichte und Gegenwart. Den Römer und seinen Berg habe ich so kein Stück in Erinnerung, obwohl ich genau weiß, dass ich schon einmal hier war. Der Römer, das historische Rathaus aus dem 13. Jahrhundert, mit seiner nicht zu verwechselnden Farbe sieht gut aus. Der Kran dahinter ist nicht ganz so stilsicher, aber nun gut. Der Platz zieht für gewöhnlich Massen an Touristen an, heute ist es relativ leer (Mitte Januar ist nicht die typische Hochsaison der typischen Touristen), aber was darf nicht fehlen - die japanische Reisegruppe. Und die absolut klischeehaften Souvenirläden.

Ich lasse das alles hinter mir und gehe endlich zum Main, es wird schon leicht dämmrig. Bei dem nach wie vor sehr grauen (& sehr kalten) Wetter kein Wunder. 

Am Main klappere ich alle Brücken Richtung Osthafen ab & erlange dadurch immer wieder schon irgendwie beeindruckende Blicke auf die Skyline. Auch die Brücken selbst geben ein gutes Bild ab, sei es die Alte Brücke, die Ignatz-Bubis-Brücke, die Flößerbrücke oder die Deutschherrnbrücke. Ich gehe meist auf der rechtsmainischen Seite, als ich die Deutschherrnbrücke erreiche, wird es langsam dunkel. Hier überquere ich den Main auf die linksmainische Seite & staune recht lang über diese Europäische Zentralbank. Dank der einsetzenden Dunkelheit kann man die noch arbeitenden Menschen sehen & sich so fragen, ob sie sich fragen, ob das schon alles gewesen ist. Manche haben den ganzen Tag den Blick auf die Skyline & den Main - ob man sie irgendwann satt hat?

An den alten Hafenkränen vorbei - sie wirken so wahnsinnig klein neben dem Wolkenkratzer - geht es zurück zur Skyline. Die blaue Stunde setzt ein - nur dank des grauen Himmels entfällt das Blaue daran.

Mit der Dunkelheit erstrahlt die Stadt in einem ganz eigenen Licht, denn alles leuchtet. Natürlich die Wolkenkratzer, aber auch die Straßenzüge mit den fast normal anmutenden Häusern, die Brücken, die Schiffe, die Autos, einfach alles. Selbst der Himmel (ja, aufgrund der Reflexion & der vielen Wolken). Auch wenn Frankfurt am Main mich tagsüber noch nicht ganz überzeugt hat, das hier tut es. Ich glaube, wenn man etwas gesehen haben muss, dann die Skyline abends. Man sollte sich die Zeit nehmen, einen kleinen Brückenspaziergang zu machen & sich von diesen Lichtern faszinieren zu lassen. Anmerkung meinerseits, vielleicht nicht unbedingt an einem nass-kalt-grauen Tag. So wunderschön die Bilder auch sind, genauso sehr frieren mir dabei die Pfoten ein.

Am Eisernen Steg überquere ich den Rhein abermals. Ich will die Skyline unbedingt einmal rundum sehen, aber mir läuft die Zeit davon, denn mein Zug geht bald. Und es wäre etwas ungünstig, wenn ich ihn verpasse. Als Supersparpreis-Fahrer ist man nämlich sehr zuggebunden & wenn man den verpasst, wird aus einer sehr günstigen Reise eine sehr teures Vergnügen. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, auch die Untermainbrücke zu passieren, um am Holbeinsteg wieder auf die Seite überzusetzen, die den Hauptbahnhof beheimatet. Es ist so kalt, trotzdem sind reichlich Menschen unterwegs. Vielleicht waren es aber auch überwiegend Sportler, die hier ihre Runden drehen - so genau habe ich es nicht mehr in Erinnerung.

Aber wenn ich eins in meiner Bahnfahrer-Karriere gelernt habe, dann ist es das schlussendlich perfekte Zeitmanagement - auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Ich war selten so froh, endlich in einem angenehm temperierten (selbst eine voll aufge-/überdrehte Heizung wäre mir egal gewesen) ICE zu sitzen. Wie ein kleines Kind freue ich mich auf die Fahrt - das letzte Mal auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke ist schon fast ein Jahrzehnt her. Innerhalb von einer Stunde & vier Minuten ist die Eisenbahn in Köln - bei solchen Zeiten kann man über ein ernsthaftes Berufspendeln nachdenken.

 

Frankfurt am Main - irgendwie mag ich dich, mit deiner verschrobenen (Süd-) Hessenart. Du bist laut, unfreundlich, hin & wieder überlaufen, aber schräg & faszinierend  - vielleicht nicht DIE Stadt. Aber einen Hessen lernt man eben nie sofort zu lieben.

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