top of page

Ternell im Hohen Venn, belgisches Grenzland

Brackvenn-Panorama

Es ist ein kalter Tag, aber er verspricht schön zu werden. Ich bin immer wieder erstaunt, dass man sofort bei Überschreiten der unsichtbaren Grenzen merkt, man hat das Land verlassen. Nach Durchquerung Eupens geht es mit einem Mal steil bergauf.

Ich bin im Hohen Venn angekommen. 

Meine Tour startet am Haus Ternell. Ich bin das einzige Auto auf dem Parkplatz, es ist niemand weit und breit zu sehen. Die Weg-Markierung der Genusstour 23 ist nicht herausragend, aber kein Hindernis. Es herrschen Minustemperaturen.

Im Wald steht das Forsthaus, welches ich am Abend zuvor auf Instagram gesehen hatte. Es macht eine gute Figur in der frostigen, winterlich-kargen Umgebung. Am Ternellbach geht es steil hinab, über wurzelige Pfade, immer den kleinen Bach im Blick. Ich brauche lange für diesen noch nicht einmal zwei Kilometer langen Abschnitt, da der Bach einen ganz eigenen Charme hat. Noch schafft es die Sonne nicht ins Tal, die Wege sind glatt, die Wurzeln tückisch rutschig.

Schließlich komme ich im Tal der Hill an. Auf einer Waldautobahn folge ich dem Flusslauf bergauf. Es ist wenig zu sehen und noch weniger zu hören, nur die Hill ist ständig präsent. Das Tal ist nicht eng, aber umgeben von hohen Wäldern. Die vielen kleinen Zuläufe faszinieren mich, ein Spiel von Wasser und Eis. Es sind die Kleinigkeiten, die den Weg hier interessant machen. 

Die Sonne taucht bestimmte Abschnitte hin und wieder in ein merkwürdig-schönes Licht.

Kalt ist es nach wie vor. Noch immer bin ich keiner Menschenseele begegnet.

Der Weg verlässt den Lauf der Hill und mit einem Mal führt er durch einen nordisch anmutenden Abschnitt. Es riecht nach Kiefern und es ist angenehm warm. Das erste Mal begegnen mir Wanderer. Bonjour et Adieu. 

Eine weitere Waldautobahn führt in ein weitläufiges Tal, wo sich die Hill mit dem Spohrbach und dem Ruisseau du Petit Bonheur vereint. Schön ist es hier. Etwas unerwartet. Neue Ansichten. Moorig. Ein Steinbruch. Die Sonne steht für Fotos ungünstig.

So etwas hatte ich schon eher vom Hohen Venn erwartet. Obwohl die Stille und Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, einzigartig ist.

Die Wege bis ins Brackvenn gehen stetig bergauf und sind meist gradlinig. Sehr gradlinig. Es könnten deutsche Wege sein. Relativ schnell erreiche ich das Hochmoor.

Zuerst sehe ich erst einmal gar nichts. Lediglich blauen Himmel und eine offene Fläche. Das Moor liegt zu hoch für mich, ich kann nicht über den Weg-Wall sehen. Die Aussicht Richtung Süd-West (Monschau etc.) ist sonnenstandsbedingt nicht herausragend.

Erst am Bohlenweg erkenne ich das Ausmaß des Hochmoors. Und bin stark beeindruckt. Vielleicht ist es die Kombination aus dem wunderschönen Wetter, der Kälte und der kargen Landschaft. Das Bild, was sich mir bietet, versetzt mich in abgeschiedene nordische Länder, aber nicht an die belgisch-deutsche Grenze. Leider führt der Weg nicht über die Bohlenwege ins Moor. Für die Fotos gehe ich aber ein Stück. Die Holzplanken sind gefrostet und durchaus rutschig, das Wasser gefroren, sowie auch gefühlt alles andere. Ich fühle mich hier wohl und weiß, dass ich wiederkommen werde. Vielleicht aber nicht an einem bitterkalten Tag, wo einem die Hände beim Fotografieren abfrieren. 

Ich verlasse das Brackvenn und überquere die N67 oder L214. Ich stehe fast auf der Landesgrenze. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man weiß, 15 Meter weiter stehe ich in Deutschland, aber jetzt gerade bin ich in Belgien. Wo trotz allem andere Sitten, Gesetze und Gepflogenheiten herrschen. Als Grenzgänger frage ich mich jedes Mal, wie es ist, in einer Grenzregion zu leben und das jeden Tag im Alltag zu spüren.

Auch die andere Seite bietet ein Hochmoor, welches durch kleinere Bohlenwege erschlossen ist. Hier folge ich den Wegen kreuz und quer ohne erkennbaren Sinn durchs die Landschaft. Das eben erlebte Brackvenn gefiel mir wesentlich besser. Ich kann nicht sagen, woran das liegt. Ein Gefühl.

Inzwischen bin ich mehreren Wanderern begegnet, quasi der Hotspot hier. Der Tag ist schon weit vorangeschritten und ich muss mich langsam beeilen, ich habe noch ein gutes Stück vor mir und bis zur Dämmerung dauert es nicht mehr lang. Mal wieder habe ich mich etwas in der Schönheit der Landschaft verloren.

Die letzten Kilometer führen entlang des dritten Moores, auch hier darf man es nur auf ganz bestimmten Wegen erkunden. Die Gebiete stehen alle unter Naturschutz, bei manchen herrscht absolutes Betretungsverbot. Der Weg folgt dem Getzbach am Rande des Moores vorbei, überquert ihn schließlich. Man könnte meinen, Moor sei Moor. Doch alle drei sind absolut unterschiedlich. Jedenfalls für mich. Aber sicher nicht für jeden.

Ich durchquere die letzte Hochfläche, es ist wieder so schön ruhig und eine ganz eigene Stimmung entsteht. Die tiefstehenden Sonne taucht die Landschaft in ein warmes Licht, wie ich es selten zuvor empfunden habe. Erst der Blick in die Eupener Ebene zeigt, wie hoch das Moor wirklich liegt. Das kommt unerwartet, zusammen mit der Lichtstimmung verursacht es ein bisschen Gänsehaut. Ein Moment, an den ich mich noch länger erinnern werde.

Erneut quere ich den Getzbach, er ist auch hübsch, aber ich muss zurück zum Auto, es wird bald dunkel, der Aufstieg ist steil, eisig und dementsprechend rutschig. Meine Vernunft siegt und ich beeile mich. im Wald ist es schon dämmrig und die Sonne geht unter. Ich erreiche XX und habe 20km zurückgelegt. Ich bezweifle, dass die Temperaturen aus dem Minusbereich hinausgekommen sind.

Vielleicht war es die Kälte, die diesen Tag so besonders gemacht hat. Oder die einzigartige Landschaft. Das Grenzgebiet.  Es gibt  genügend Gründe, noch einmal wiederzukommen.

bottom of page