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Fischland-Darß-Zingst - die unverwechselbare Halbinsel

Tag I im Jahr I - Im Nieselregen auf Jagd nach Deutschlands Big Five

Die Halbinsel ist der letzte Teil eines Ost-Roadtrips, vom Spreewald auf Fischland-Darß-Zingst. Die Anreise erfolgte am Vorabend, im Dunkeln & bei durchgehenden Regen die letzten 100km. Meine Unterkunft befindet sich am Ortsrand von Zingst. Ich bin gespannt auf dieses sehr interessante Land, der Ruf eilt ihm voraus. 

Als ich aufwache, ist das Wetter so la la. Angeblich soll der Regen nachlassen, kurz wirkt es so, als lockere es auf. Ich entscheide mich dennoch gegen ein Leih-Fahrrad & nehme das Auto, fahre raus bis Ostzingst. Durchquere den Ort, mir fällt nichts besonderes ins Auge, es folgen Strandzugänge & dann, ja, was ist das denn? Riesige, verfallene Gehöfte, ganz sicher aus DDR-Zeiten. Ich recherchiere später, um was für einen lost place es sich hier handelt - die LPG Müggenburg. Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaft mit größten Grünfuttertrocknungswerk der DDR & bis zu 10000 Rindern. Okay... Die Sundischen Wiesen (abgeleitet von Stralsunder Wiesen) wurden bis kurz nach der Wende landwirtschaftlich genutzt, in Pramort wohnte sogar noch eine alte Dame. Das im Nachgang zu lesen, ist schon interessant & macht das ein oder andere verständlich. Aber zurück. Der Weg bietet jede Menge Pfützen, ich nur zu gerne mitnehme. Der Küstenwald ist hier sehr beeindruckend, Kiefern & so viel orange, so habe ich ihn jedenfalls in Erinnerung. Der Parkplatz ist groß & schlaglochübersät. Echt, 4€ Parkgebühr & nur passend in Kleingeld zu zahlen? Das ist ein ziemlich schlechter Scherz... Ich habe es aber tatsächlich passend & investiere hoffentlich in die Infrastruktur. Das Nationalparkhaus ist bis 15:30 Uhr geöffnet, das schaffe ich. Auf geht's, acht Kilometer gen Ost.

Es nieselt leicht, was sich zu stärkeren Nieselregen entwickelt. So war das aber nicht geplant.. Ich hoffe, das bessert sich noch etwas & verschwende den ein oder anderen Gedanken daran, dass mein Equipment sicher hält, aber meine Kleidung auch? Man hört das Meer rauschen & hin & wieder kann man es sehen. Landschaftsfotografie mit 70mm, ich habe das Gefühl, dass genau das gerade zu dem Ort & seinem Wetter passt. Links, Schilf mit Bruch- oder Totwald, rechts ein Mischwaldstreifen. Oder vielleicht doch eher Bruchwald - stelle nämlich irgendwann fest, dass hier ein ziemlich nasser Untergrund vorherrscht. Es ist ein weites Land & überzeugt in der Summe der Details, selbst bei Schlechtwetter. Man muss nur sehen.

Der Regen lässt nach bzw. hört ganz auf, er bleibt quasi hinter mir hängen. Weit vorne sind sie am Bauen, ist ja keine Saison, irgendwann müssen sie das schließlich tun. Auch wenn der Baulärm jetzt nicht so idyllisch ist. Und meine Hoffnungen auf Wildtierbegegnungen mit Rotwild & Co. etwas schmälert. Aber, Wetter & Weite sorgen für Kopf-Frei. Zwei Radfahrer überholen mich. Schon was gesehen? fragen sie mich. Leider nicht, antworte ich. Aber das kann ja noch werden. Und während ich so vor mir hinträume, Distelfinken & Wasserspiegelungen fotografiere, rauschen rechts im Wald zwei Rothirsche elegant durchs Holz. Das gibt's doch nicht! Aber ich habe sie immerhin gesehen. Ich habe schon viel Weg zurückgelegt, aber auch noch viel vor mir - ein acht Kilometer langer, schnurgerader Weg ist nicht zu unterschätzen. Rundum weiterhin viel Wasser. Die toten Bäume sind deshalb krepiert, die nassen Füße gefielen ihnen nicht. Und auswandern können sie ja schlecht. Was die da vorne bauen, ist mir noch nicht ganz klar. Aber der Baustellen-LKW scheint die zwei Rothirsche von eben aufzuschrecken, denn sie kreuzen plötzlich meinen Weg - so majestätisch & elegant. Unglaublich. Man hört, wie sie durchs Wasser rennen, weiter ins Land rein bzw. Richtung Strand. Vielleicht erlebe ich ja noch eine dritte Begegnung mit ihnen.

Die Radfahrer kommen zurück, sie schauen auf die Wiese, die Richtung Bodden zeigt. Drei Rehe stehen sehr weit hinten. Sie fragen mich, ob ich die Wildschweine oder das Damwild gesehen hätte. Nein, leider nicht, aber zwei Rothirsche. Die hätten sie nicht gesehen. Die beiden sind sehr nett, sie wirken rücksichtsvoll. Nach zwei Stunden erreiche ich den Abzweig zur Hohen Düne. Ah, hier bauen sie. Einen Weg. Die meisten Wege sind gesperrt, da es sich bei dem Land um ein militärisch belastetes Gebiet handelt - so etwas wie ein Raketenabwurf-Übungsgelände. Ich frage mich immer, was wäre, wenn so eine Kuh oder ein Wildtier so etwas auslösen würde? Ich verstehe, dass niemand zu 100% die Verantwortung übernehmen möchte. Andererseits halten diese Überreste auch schon zig Jahrzehnte Naturgewalt & Landwirtschaft aus...

An dem ersten Beobachtungspunkt kann man das Land Richtung des Ostendes von Zingst & die Große Werder überblicken. Sehr viel Wasser, noch mehr Schilf und ähnliche Konsorten, aber wenig (sichtbare) Wasservögel. Lediglich ein paar überfliegende Gänse oder Reiher - sowohl den Grauen als auch den Silbernen- habe ich bisher gesehen. Jetzt kommen da noch ein paar Schwäne hinzu, irgendwo bekam ich auch einen Singschwan zu Gesicht. Dafür herrscht überall (& selbst auf dem Rückweg) konstantes Vogelgezwitscher. Die Linien am Horizont verschwimmen ineinander & es fällt mir schwer, da Land, Windwatt & Wasser herauszufiltern. Der Weg zur Hohen Düne ist ein reiner Wanderweg, er ist schmaler & nicht mehr asphaltiert oder ähnliches, Radfahrer werden gebeten, ihre Räder an den ausreichend vorhandenen Radparkplätzen abzustellen. Ich sehe übrigens leider erst viel, viel später, dass eines der Landschaftsbilder auch Wild enthält. Wahrscheinlich Rotwild. Ihre Tarnung ist ausgesprochen gut.

Bis auf die Arbeiter & die zwei Radler vorhin bin ich hier ziemlich allein. Die Stille & Weite ist so beruhigend. Ich erspähe Damwild, Hirsche, mit Herbstfarben, so ein wunderschönes Bild. Ich pirsche vorsichtig weiter & versuche, die Tiere nicht zu beunruhigen, ich möchte nicht, dass sie wegen mir das Weite suchen müssen. Hier ist schließlich genug Platz für uns alle. Ein Kahlwild oder Alttier mit einem Jungtier überquert den Weg & flüchtet ins Schilf. Sie stehen auf dem Bild quasi vor den (gar nicht so weit) entfernten Dünen, so großartig, ich liebe dieses Bild bereits beim Betätigen des Auslösers. Der anfängliche Regen kann mich mal, das hat sich bereits jetzt schon sowas von gelohnt, hier an so einem Tag herauszugehen. Wohlgemerkt, zu gehen. Im Schilf wühlen Wildschweine herum. Wahnsinn, mittlerweile habe ich sie fast alle gesehen, ein Räuber würde noch fehlen - in diesem Land käme nur ein Fuchs in Frage. So schön. Bis auf die folgenden Radfahrer. Ein Verbot versteht eben nicht jeder. Und zu allem Übel scheuchen sie mir auch noch die zwei Rothirsche auf, verdammt nochmal! Das halte ich denjenigen auch prompt vor. Ein bisschen schlechtes Gewissen haben sie dann schon, was mir jetzt aber nichts mehr bringt. Ich meine, immer mal wieder Kraniche zu hören, aber eigentlich kann das gar nicht sein - sie müssten schon auf dem Weg Richtung Süden sein. Hier ist viel zu hören, nur lässt sich nicht alles einordnen.

Zur Hohen Düne führen Bohlenwege & die Aussicht ist toll. Auch wenn ja eigentlich gar nicht viel zu sehen ist. Die Ostsee & das Weite Land aus einem anderen Blickwinkel. Der nächste Regen ist schon im Anmarsch. War ja auch fast zwei Stunden trocken. Die unheimlich vielen, kleinen Fliegen sind mir im Gedächtnis geblieben. Schön, dass die Natur hier noch Platz hat. Ich frage mich, wie es hier in der Hauptsaison aussieht & wie sich da an Absperrungen gehalten wird. Die nächste Radfahrertruppe taucht auf, eindeutig Touristen. Sie könnten aus NRW stammen. Oder Berlin. Nun ja, ich mache erstmal Mittagspause. Der Regen lässt nicht nach, es sieht eher so aus, als wenn es sich einregnen würde. Und so ist es auch. Auf dem Rückweg ist wenig bis gar nichts zu sehen. Außer die wenigen, aber dafür umso intensiveren Herbstfarben. Schaue zwangsläufig dem Kipper bei der Arbeit zu. Steinerde aufladen, auf der Plane abladen, verteilen & planieren. Den ganzen Tag. Immerhin sieht man der am Ende, was er getan hat.

Pramort besteht aus zwei Beobachtungshütten, eine kleine Runde wie auf der Wegkreuzung zur Hohen Düne & ein neues, ausgesprochen gut ausgebautes Häuschen. Wieder der Blick auf die Werder-Inseln, Bock & Hiddensee kann man in dem Regen nicht mal erahnen. Immer noch die Schwäne. Hoffentlich hält die Regendichtigkeit meines Rucksacks, was sie verspricht. Ich schaue erstmal bei Hütte neu & gehe dann rüber zur Hütte alt. Weit am Horizont, wahrscheinlich irgendwo am Windwatt bei Werder grast Rotwild. Sie leben hier wirklich am Meer. Ich habe es nicht für möglich gehalten, das mit eigenen Augen sehen zu dürfen... Toll, danke. Auf der rechteren Wiese sind Kiebitze am Motzen. Und dann, der Fuchs! Ja. Schnelles Objektivwechseln, jetzt bloß nicht fallen lassen.. Erwische ihn gut & hoffe darauf, dass er das Schilf durchquert, kann ihn aber nicht wieder entdecken. Schade. Die Aussicht von hier ist im Allgemeinen sicher gut, nur heute regenbedingt etwas beschränkt. Der Hut ist mittlerweile auch leicht durchweicht, der Rest nach wie vor standhaft vor Nord-Ostsee-Wetter. Ein paar Distelfinken machen in der Nähe der Hütte ihrem Namen alle Ehre & werkeln an Disteln herum. Ein einsamer Radfahrer ohne alles kommt mir entgegen. Nut zum Gucken? Auf einer der dem Bodden zugewandten Wiesen stehen zwei Damhirsche, seelenruhig. Ihnen allen kann das Wetter wenig anhaben. Ich bin etwas neidisch auf diese Eigenschaft. Nochmal Pause, bei den Wasserbüffeln. Im Nieselregen auch ein cooles Bild. Wasserbüffel scheinen beliebt. Oder anpassungsfähig. Oder robust. Sie halten ihren Kopf so seltsam & bewegen sich ziemlich langsam. Und sind pechschwarz. Im schlechten Licht beste Voraussetzungen. Hier führt die alte Pramorter Straße entlang, die früher genutzt wurde, jetzt gesperrt. Und dem Verfall überlassen? Denn schließlich gibt es nun den Rad- & Wirtschaftsweg am Deich.

Auf dem weiteren Rückweg lässt der Regen etwas nach, durchaus auch angenehm. Gefühlt hunderte Stare bevölkern die Bäume & machen ordentlich Terz. Eine Bande Misteldrosseln ist ebenfalls noch unterwegs. Ich mag die Nebelkrähen, wie sie gemeinsam dem Regen trotzen. Ein einzelner und/oder einsamer Kolkrabe macht Flirtgeräusche, so sieht es zumindest aus & hört sich auch so an. Diese Vögel sind - meiner Meinung nach - sehr beeindruckend, riesig & mit diesem "Bärtchen". Weit entfernt am Nordstrand kann ich Wild entdecken, entweder zwei Rehe oder junge Spießer vom Dam-/Rotwild. Bei der Sicht & Entfernung nahezu unmöglich zu bestimmen. Im Schilf lauter undefinierbare Vogelgeräusche. Die Dämmerung setzt unübersehbar ein & taucht das weite Land in ein nochmal ganz anderes Licht, es mag zwar dunkel & grau erscheinen, aber eigentlich ist es beruhigend. Als läge sich eine Decke über die Landschaft. Dennoch fühlt man, dass der Herbst sich dem Ende zuneigt & der Winter nicht mehr weit entfernt ist. Der Weg heute war lang, sicher an die 20 Kilometer, die ich auch spüre. 15:30 Uhr, Nationalparkhaus, habe ich mit ausreichend Abstand verpasst, es ist schon nach 16 Uhr. So viel zu: das schaffe ich. Einkehren brauche ich jetzt auch nicht mehr. Meine anfänglichen Zweifel, ob ich überhaupt etwas zu sehen bekomme, waren vollkommen unbegründet, ich habe alles gesehen & irgendwie noch viel mehr. Auch wenn ein Seeadler auch was feines gewesen wäre. Ich fahre kaputt zurück & hole mir noch ein Stück Kuchen, den habe ich mir allemal verdient. Zurück in meinem Heim stelle ich fest, dass die Handybilder eigentlich nicht zeigenswert sind (irgendwo kommt jede Smartphone-Kamera an ihre Grenze). Die Vermieterin kommt noch vorbei, nachdem wir uns gestern verpasst haben, eine kleine, resolute Dame, sehr sympathisch. Vor 40 Jahren sei sie hergekommen, mit 17 oder 18, habe auf den Sundischen Wiesen Schafe gehütet & bei der alten Pramorterin da draußen gerne ihren selbstgemachten Saft getrunken. Die DDR-Urlaubszeit war anders, aber auch einfach. Irgendwie kann ich mir das vorstellen & manchmal sehne ich mich nach diesen Zeiten. Wobei, im Spätherbst zu reisen kommt dem vielleicht schon sehr nahe.

Tag II im Jahr I - Eine abwechslungsreiche Runde durch den Norden

Tag II im Jahr I - Darßer Wald & Ort, der Nordstrand & Prerow

Neuer Tag, immerhin regnet es nicht. Und, es sieht auch nicht nach Regen aus. Zeitig breche ich auf, ohne Kleingeld für den Parkscheinautomaten in der Hoffnung, dass er über den Winter außer Betrieb genommen wird. Aber, hier in Prerow herrschen andere Automaten... Bar oder per App, 5€ in Kleingeld, na klar, immer am Mann. So weltfremd. Und die App lässt sich dank miserablen Netzes nicht herunterladen. Also schreibe ich einfach mal einem möglichen Kontrolleur eine Nachricht, beginnend mit "Lieber Kontrolleur...". Fünf Minuten später fällt mir ein, dass es ja auch eine Kontrolleurin sein könnte... Nun gut, damit muss er, sie, es jetzt leben. 

Ich beginne meine Runde im Wald. Der ist Kiefer-ig, grün & huppelig, nordisch anmutend. Sehr toll, gefällt mir sofort. Ich stelle allerdings sogleich fest, dass mein heutiges Bildkontigent etwas begrenzt ist & ich eine neue Speicherkarte vergessen habe.. Es ist wohl Bewusster Fotografieren angesagt. Ich liebe die Rinde der Kiefern, ein fast türkis-grün mit rot-braun, ich könnte jeden einzelnen Baum aufnehmen. Am Campingplatz muss ich diesen Teil des Weges verlassen, es wird rechts & links wässrig, darauf folgt ein Buchenwald-Streifen, gesäumt von Kiefern. So ein wahnsinnig krasses Orange! Unglaublich, wie lange der Herbst sich dieses Jahr mit seinem Farben hält. Landschaftsfotografie mit 70mm ist auch nicht verkehrt, ich verwackle die niedrigen Verschlusszeiten weniger als beim Weitwinkelobjektiv. Ein Buntspecht lässt sich vom Treiben der Eichelhäher nicht stören. Bisher bin ich hier ziemlich allein, das hatte ich so nicht erwartet.

Der folgende Betonweg ist dagegen nicht sonderlich hübsch. Ein paar Radfahrer überholen mich, stelle später fest, dass es sich um Mitarbeiter vom Natureum handeln könnte. Über mir tut sich jetzt blauer Himmel auf & vorm Leuchtturm kommt die Sonne heraus - wie gut ist das denn? Und dann steht er da (Vor mir. Und Blu). Der Leuchtturm, Darßer Ort. Ich bin mir sicher, dass er auch zuhause in meiner Küche steht. Irgendwie erscheint er mir ganz schön klein. Um 11 Uhr machen sie hier erst auf, also ziehe ich den Rundgang vor. Ich beginne damit am Weststrand, das Meer, die Luft, es tut so gut, endlich am Strand. Ein paar wenige Menschen sind unterwegs, sie stören wenig, was vielleicht an der allgemeinen Weite & dem (fast) alles übertönenden Meeresrauschen liegt. Der Strand selbst ist vielleicht kein Prestige-Strand, aber es ist auch Wintersaison - mehr Wind, weniger Aufräumen. Natürlich, ohne ein oder zwei Steine aufheben geht es nicht. Das Nationalpark-Schild an der Trennung zur Kernzone ist wirklich informativ. Nein, ich wusste nicht, dass Kegelrobben eine so dicke Fettschicht haben, dass sie automatisch oben schwimmen ohne überhaupt schwimmen zu müssen... Und der Sand auf der anderen Seite des Zauns sieht so wahnsinnig unberührt aus, das krasse Gegenteil zur "offenen" Seite. Aber der Bohlenweg durch die Dünen ist klasse, 50 Shades of Grün, es sieht so toll aus. Ich befürchte nur, dass es auf den Fotos weniger zur Geltung kommt als es in Wahrheit aussieht. Aber ich weiß ja, wie es aussah. Hoffe ich jedenfalls.

Ab dem Bohlenweg bis zum ersten Beobachtungsturm ist schon deutlich mehr Betrieb. Der Brackwassersee (Libbertsee) ist nicht klein & wieso auch immer erinnern mich die drei bzw. vier einzeln stehenden Bäume an Afrikas Savanne & König der Löwen. Wenn ich mich nicht täusche, grast Rotwild im Schilf, ausreichend gut getarnt. Leider sind keine Wasservögel in unmittelbarer Nähe zu sehen, maximal zu hören. Das Ende vom Darßer Ort lässt sich mit bloßen Auge gar nicht ausmachen. Der Gegenverkehr nimmt zu, gut, dass ich instinktiv immer die bessere Gangrichtung wähle. Ich frage mich, wieso manche den Aussichtsturm ignorieren, wollen die denn nicht mal übers Land schauen? Beim zweiten Turm weiß ich es, hat man die eine Aussicht gesehen, bedarf es nicht unbedingt einer zweiten davon. Der Malinois sieht unheimlich nach einem Diensthund aus, so agil & aufmerksam, ein schönes Tier. Haben Diensthunde denn auch Urlaub? Am dritten Beobachtungsplatz lege ich eine Pause ein. Das Wetter hat sich verändert & zugezogen, auch wenn es eine sehr helle, dichte Wolkendecke ist. Zwei ältere Herren kommen hinzu, sie machen einen Spaß über mein Mittagessen & schauen dann mit dem Fernglas auf einen bestimmten Punkt im Schilf. Da läge er immer noch. Ich frage mal, was denn da so liegt. Rothirsche. Allerdings sähe man nur das Geweih. Das muss ich mir doch durch die Kamera ansehen. Ein jüngeres Pärchen fragt mich, was die Herren meinten, ich erkläre es ihnen. Und Tatsache! Im Schilf liegen Hirsche. Ohne Fernglas (oder Kamera) wahrscheinlich nur schwer zu erspähen. Ich zeige den beiden das Bild, sie machen mich wiederum auf etwas im Wasser aufmerksam - Wildschweine! Richtig helles Fell. Und wenig später sehe ich zum ersten Mal schwimmende Schweine. Lohnt sich hier. Ich mache den Rundgang komplett & schaue noch beim Leuchtturm rein. Der Shop hat wenig zu bieten & auf die Leuchtturmaussicht verzichte ich heute. Ich finde, dass er für eine gute Aussicht doch zu niedrig ist. Ich bereue es nicht.

Die Strecke zurück zum Nordstrand bringe ich aufgrund des nunmehr für einen Novembertag sehr erhöhten Besucheraufkommens schnell hinter mich. Und E-Bikes gehen mir immer noch auf die Nerven. Am Nothafen kann man den kleinen Quallen beim Schwimmen zusehen, das Wasser ist insgesamt sehr klar. Ob die anderen auch die Quallen sehen & sich an diesen sonderbaren Wesen erfreuen können? Putzt der Seenotretter da sein Auto? Am Strand selber ist erstaunlich wenig los. Die salzige Luft ist zum Teil so stark, dass sie mir fast den Atem raubt. Sucht die alte Dame da nach Bernstein? Es ist ja jetzt die beste Zeit dafür, wie ich letztens gelesen habe. Der Zaun zur Kernzone macht eine gute Figur. Ansonsten sind ein paar Vögel zu sehen & ein bisschen Aussicht, nichts spektakuläres. Ruhig & weit. Schön. Ein gewitzter, älterer Herr macht mich auf den blauen Himmel über mir aufmerksam, der sich leider nicht durchsetzen kann. Er fragt mich, ob die wohl eine Gebühr verlangen, er meint die Schwäne direkt vor uns. Gute Frage, ich bin hier am Weitsichten... Fotografiere in die Ferne & versuche herauszufinden, was sich wohl am Darßer Ort alles befindet. Wasser & Sand, so viel kann ich sagen. Auf einer Sandbank rechts suchen Schnepfenvögel das seichte Wasser ab, ich würde auf Bekassine tippen.

Zu den Bekassinen gesellen sich Austernfischer, später auch eine junge Silbermöwe. In Ufernähe tummeln sich jede Menge Stockenten. Unter ihnen weilt ein kleineres Exemplar, wohl eine Krickente, die sich unter die deutlich größeren Stockenten gemischt hat. Alle sind fleißig im Wasser am Schnabeln, das Geräusch ist fast schon witzig. Überall dazwischen die Möwen, Lachmöwen, Silbermöwen. Und dazwischen wuseln schon die ersten Sanderlinge (wenn ich sie richtig bestimmt habe). Unter den Enten ist noch eine andere, eine Spießente, wie ich später nachlese. Die Nebelkrähen lassen sich hier fantastisch porträtieren, sie sind schon hübsch, ihr Grau irgendwie besonders. Sie geben übrigens genau dieselben Töne ab wie ihre westlichen Verwandten. Am Strand finde ich wenig zum Sammeln, wenn nur Muscheln, keine Steine, keine Federn. Vielleicht auch gut so. Der Himmel zeigt nun Pastellfarben, es sieht so schön aus. Könnte ich malen, würde ich genau das jetzt tun.

Sanderlinge.. aus der Gattung der Strandläufer. Ich liebe diese kleinen, quirligen Gesellen so sehr. Könnte ihnen ewig bei ihrem Gewusel zusehen. Sie kratzen sich selbst kollektiv. Oder putzen alle ihre Federn. Sie sind ständig in Bewegung. Und das nicht langsam. Unter ihnen befindet sich wieder ein "fremder" Vogel, der sich sehr deutlich von seinen hellen Verwandten abzeichnet. Es ist ein Meerstrandläufer. Was es nicht alles gibt. Immer wieder versuchen ein paar der Vögel zu ruhen, aber wie soll das denn gehen, in so einem hibbeligen Haufen, die halten ja nie still & fliegen schneller auf, als du gucken kannst. Noch dazu bewegen sie sich charaktertypisch ständig am Wassersaum entlang, bloß keine zu nassen Füße bekommen, das mögen sie gar nicht. Touristen insgesamt auch nicht. Ab & zu jagt man sich auch mal gegenseitig hin & her, so schnell die kleinen Beinchen einen tragen. Man merkt sicher überhaupt nicht, wie sehr ich die Kleinen mag..

Und in all dem Treiben dazwischen ein Nebelkrähen-Porträt der Extraklasse.

Am Strand liegt viel Seegras herum, schön vom Winde verweht bzw. geformt. Ob das DLRG-Haus extra nur im Skelett dort steht? Es wirkt fast etwas lost, aber sicherlich nur eine Vorsichtsmaßnahme vor möglichen Stürmen. Für einen Moment verwandelt sich der Himmel in ein Farbenspiel, es ist wunderschön, diese 50 Shades auf Blau/Grau. Für die paar Kilometer nach Prerow brauche ich wie immer ewig. Die Besucher dieser Jahreszeit sind vorwiegend Rentner oder Ehepaare im fortgeschrittenen Alter. Mit oder ohne Hund. Selten mit (sehr) kleinen Kindern, noch seltener in meinem Alter. Die Seebrücke Prerows sieht aus wie jede andere der 99 Ostseebäder dieses Landes. Früher war Sie DAS Ausflugsziel. Wieso eigentlich? Wo damals nur einfache Segelstege lagen, die ständig zerstört wurden, baute man irgendwann die ersten Prerower Seebrücken, Holzkonstruktionen halten nun für gewöhnlich nicht ewig. Die jetzige Version ist schon fast 30 Jahre alt und mit ihrem Betonfundament wesentlich langlebiger. Als Schiffsanleger dient sie hier allerdings nicht, sondern nur zum Flanieren. Und vielleicht um einmal die Gelegenheit zu haben, übers Wasser zu laufen. Es ist irgendwie immer noch Tradition, die örtliche Seebrücke zu besuchen.

Prerow hat keine typische Promenade, eher eine vertikale Straße zum Ortskern, gesäumt von Restaurants & kleinen Buden im typischen Ostsee-Baustil. Was irgendwie putzig ist. Ich mag es. Überquere auf dem Weg zum Ortskern den Alten Strom, der sich bis zum Bodden auf der Südseite der Halbinsel zieht. In Örtchen selbst steppt jetzt nicht so sehr der Bär, nur wenige Geschäfte haben außerhalb jeglicher Saison geöffnet. Die Touri-Info schon & die ist natürlich ein Muss. Mir fallen die prächtigen Haustüren auf, die auch auf den Postkarten zu sehen sind - was hat es denn damit auf sich? Sieht auf jeden Fall reichlich cool aus (ist es auch, beim nächsten Besuch wird darauf ein Schwerpunkt gelegt). Ich suche ein Café. Der Bäcker ist voll, aber das Café am Kulturhaus ist nicht so stark besucht & vielleicht auch zehnmal gemütlicher. Kinderkakao & 'ne Waffel, voll gut. Ich schreibe schnell meine Notizen. Der Typ neben mir macht mit seinen Eltern sicher einen Familienurlaub/-ausflug & ohne es zu sehen, habe ich das Gefühl, dass er mich beobachtet. Ja, über mich kann man sich auch nur wundern. Ich breche wieder auf, denke erst, dass es regnet, aber es ist einfach nur schon reichlich dunkel. Schade, Prerow hätte noch ein paar hübsche Häuser im Angebot. Beim nächsten Mal. Kein Ticket am Auto! Oder kein Kontrolleur... Ich werde es nie erfahren. Sechs Silberreiher zusammen auf einer Wiese auf dem Rückweg. Und nein, ich werde jetzt nicht krank. Punkt.

Tag III im Jahr I - Der Weststrand & das Fischland

Tag III im Jahr I - Der Weststrand, die Künsterkolonie & die Fischer dazwischen

Nachdem ich gestern frühzeitig zu Bett gegangen bin, um eine unwahrscheinliche Krankheit weiterhin unwahrscheinlich sein  zu lassen, bin ich früh wach & topfit. Es ist zur Abwechslung mal nicht komplett bewölkt & ein möglicher Sonnenaufgang zeichnet sich ab. Der Vogelbeobachtungspunkt ist direkt um die Ecke, so viele Gänse, wie ich es sonst nur aus Ostfriesland kenne. Die Schiffsbrücke lässt sie ab und zu aufschrecken - "sie verdunkeln kurz die Sonne", träfe es hier ganz gut. Aber noch lässt der Tagesanbruch aus Fotografensicht zu wünschen übrig. Die große Beobachtungshütte ist zu, schade. Ganz langsam bricht die Sonne durch die Wolkendecke, mein Gott, könnte ich nur malen, dann wäre es das jetzt. Ich treffe meine resolute Vermieterin samt Poldi, dem Hund. So früh schon wach? Sie ist arg verwundert. Ja, man muss die Zeit ja nutzen. Ob das eine Hütte auf der Kirr ist? Das Bild dazu ist jedenfalls großartig - die Sonne, die Hütte & die Spiegelung.

Auch der kleine Boddenhafen ist in wunderschönes Licht getaucht. So ausgedehnt war der kleine Morgenspaziergang nicht geplant. Aber nun gut. Ich gehe durch den Ort zurück, bei einem Kunstatelier bin ich schon etwas beeindruckt. Aber das kann & will ich mir (im Moment) nicht leisten. Das Dorfmuseum sieht super aus, mit Sicherheit sehr interessant. Irgendwann nehme ich mir mehr Zeit für solche Dinge. 

Nach dem verdienten Frühstück fahre ich rüber zum Weststrand, es gibt ja nur eine Straße, die dorthin führt. Dabei werde ich von einem VR - VW Amarok verfolgt. Ja, Kollege, trotz NRW-Auslandskennzeichen kann ich fahren! Den Parkplatz kann ich heute per Smartphone bezahlen, 3€ für 6 Stunden gehen auf jeden Fall in Ordnung. Und dann, Weststrand. Wind, Wellen, Weite. Wunderschön. Jemand fotografiert den Baumstamm im Wasser, sicher mit Langzeitbelichtung, das wäre zumindest eine gute Sache. Ich hoffe, ich schaffe es heute Nachmittag noch hoch zum Darß. Aber jetzt gehe ich erst einmal Richtung Süden, nach Ahrenshoop. Die Buhnen eignen sich immer als Fotomotiv, ich versuche mich an Langzeitbelichtungen aus der Hand. Vielleicht ist ja irgendeins der, keine Ahnung, 200 Fotos scharf. Irgendwann (in ferner Zukunft) mache ich mal einen reinen Fotoausflug. Ich schaue nach Steinen & Muscheln, davon gibt es hier reichlich, auch wenn viele kaputt oder schlicht zu klein sind. Dafür ist man übrigens nie zu alt, wie man heute wieder hervorragend beobachten kann - sei es die alte Dame, die mit einer Plastiktüte Muscheln (für die Enkel?) sammelt oder Kinder oder der ein oder andere Mittvierziger. Irgendwann hebt jeder etwas vom Boden auf. Wolken ziehen vom Land her auf, sie bilden fast einen Bogen über dem Meer - rechts & links schon bedeckt, in der Mitte dieses wunderschöne Blau. Ein sehr cooles Bild.

Auf dem Meer sind kaum Vögel zu sehen, höchstens mal eine Möwe. Dafür zieht ein großer, ich korrigiere, riesiger Schwarm Vögel raus aufs Meer, es sind so wahnsinnig viele. Es sind Kormorane, wie ich später feststelle. Wie viel Fisch sie wohl fangen müssen... und wie viel Fisch es dann erst geben muss... Ahrenshoop kommt immer näher, ich mag die zwei kleinen Fischerboote, das sieht gut aus. Und da ist auch dieses bekannte Bild, der Baum & das alte Reetdachhaus - bedingt durch das Licht sieht mein Bild besser in Schwarz-Weiß aus. Als ich es aufnahm, wusste ich nicht, dass es später eines meiner Lieblingsbilder sein würde. Es ist schon etwas Betrieb hier am Strand, aber bei Weitem nicht so viel, dass es nervig wäre. Ich gehe bis zur Steilküste. Eine Art Steinbrecherformation hat wohl dafür gesorgt, dass sich wieder etwas Sand anlandet anstatt immer weniger zu werden. So würde sich zumindest die kleine Landzunge erklären.

Der Blick von der Steilküste auf den Strand ist irgendwie sehenswert. Ich beobachte eine Familie, dann wende ich mich vom Strand ab & erkunde einen Teil der bekannten Künstlerkolonie. Aber erstmal, oh, eine Toilette, wie praktisch. Hier stehen einige schon schöne, regionaltypische Häuser. Eins wird wohl gerade saniert (zumindest ist's voll entkernt & bekommt ein neues Reetdach), eins ist (leider) dem Verfall überlassen. Die Häuser mit dem (Zier-?) Fachwerk & Reetdach sind interessant. An der Hauptstraße angekommen, lasse ich Ahrenshoop (erst einmal) links liegen & gehe Richtung Bodden, um in Althagen & Nienhagen vorbeizuschauen. 

Am Althagener Hafen gibt es Räucherfisch & der riecht so gut, dass ich ihn einfach probieren muss - ob es mir letztlich schmeckt oder nicht. Ich wähle Heilbutt, die Mitte, 200 Gramm, 5,70€. Er ist recht kalt, ich hatte ihn etwas wärmer erwartet, aber er schmeckt (gut, nicht alle Teile der Haut, zugegebenermaßen). Ich muss an die geräucherten Aale aus Südschweden denken. Irgendwann werde ich auch dorthin zurückkehren & sie noch einmal der Erinnerung zuliebe probieren. Die Spatzen sind ganz schön frech, aber immer noch schlauer als jede Taube. Sie klauen mir fast mein Toast. Ich teile mit ihnen & lege etwas Toast neben mich, die zwei Cleversten (& Mutigsten) holen es sich. Lerneffekt. Ich mag sie. Sie sind fippsige Gesellen. Am Hafen wird gebaut. Sind das da Boots- und/oder Ferienhäuser? Ich gehe weiter am Bodden Richtung Nienhagen, auf der Rückseite der Häuser. Von vorne wäre es sicher schöner gewesen, aber auf die (einzige) Hauptverkehrsstraße verzichte ich gerne. Es ist ganz hübsch hier, zumal alle ihren eigenen Zugang zum Bodden haben, einer hängt sogar seine Wäsche im Schilf auf. Ich mag die Bilder in Schwarz-Weiß. Sie geben die friedliche, aber eigentlich recht unspektakuläre Atmosphäre wieder. Eine einäugige Katze lässt sich locken & streicheln. Ich war nie der größte Katzenfreund, aber irgendwie mögen sie mich ja doch. Und ich sie auch. 

Vom Bodden bis zur Steilküste des Weststrands sind es maximal 1,5km, wenn nicht sogar noch weniger. Dabei hat man gute Sicht auf die höchste Erhebung der Insel, den Bakelberg, mit seinen unglaublich hohen 18 Metern über Normalnull. Aber auf den ersten Blick wirkt der unscheinbar, die Steilküste stellt alles in ihren Schatten. Ein Abgang zum Strand ist hier im Winter nicht möglich, die Treppe wird sogar extra abgebaut & abgelegt. Was einfach daran liegt, dass pro Jahr im Schnitt ca. 60cm (West-) Land durch Wind & Wetter verloren geht, weil die Steilküste nicht geschützt wird. Und das auch nur, weil hier "nur" Land ist & keine Häuser, sprich Sachwerte. Deutschlands Bürokratie. Die Steilküste gilt als eine der gefährdetsten Küsten der Ostsee. Spätestens bei der alten Bunkeranlage weiß man, dass die Abbrüche so (nie) eingeplant waren. Einige der Bunker sind bereits ab- oder rausgebrochen & liegen im Meer oder am Strand. Lose Stahlseile hängen aus den Steilwänden. Paradoxerweise erinnert das Bild tatsächlich ein wenig an Krieg. Einen der Bunker kann man begehen, was schon etwas seltsam ist. Eins habe ich gelernt, der Osten eignet sich hervorragend für Lost Place Fotografie. Ich brauche einen Partner. Erst hier fallen mir die Windflüchter auf, man erkennt ihre Form nur von der Seite. Aber schon arg faszinierend, wie biegsam sie wachsen können. Bevor ich nach Ahrenshoop zurückkehre, mache ich noch einen Abstecher zum Bakelberg & genieße die Aussicht. Sofern man es so nennen kann. Die Figur ist jedenfalls von allen Seiten ersichtlich. Dank Größe & Farbe. 

Vor Ahrenshoop zeigt sich noch einmal die Höhe der Steilküste, dann gehe ich zurück in das Örtchen. Hier fallen mir zwei Dinge auf: Richtige Straßen sind selten, meistens sind es hier unbefestigte Wege. Häuser ohne Reetdach sind so selten & wenn, stehen sie wohl mehr oder weniger absichtlich zusammen. An der Hauptstraße haben ein paar der Geschäfte trotz Wintersaison geöffnet, aber keins bietet Ahrenshooper Postkarten. Also statte ich der Kurverwaltung einen Besuch ab. Zuverlässig wie sie nun mal sind, haben sie natürlich Karten im Angebot. Ich kaufe auch ein Buch über die Darßer Haustüren, die mich ja gestern in Prerow schon fasziniert haben. Das möchte ich wirklich gerne "aufarbeiten". Im Prerower Darß-Museum ist ihre Geschichte ebenfalls dargestellt. Da muss ich also irgendwann mal hin. Der Buchladen Bunte Stube steht hoch im Kurs , aber ich muss sagen, er ist auch sehr sympathisch & die Buchauswahl ist wirklich gut. Bücher sind wohl immer noch/wieder im Trend. Natürlich kann ich nicht widerstehen, auch eins zu erwerben, preislich ist das immer noch besser als die käuflich zu erwerbenden Kunstwerke. Ob ich DIE Künstlerkolonie jetzt gesehen habe, weiß ich nicht genau, aber bei dem ein oder anderen konnte ich mir schon gut vorstellen, dass er ein verkannter Künstler ist. Ich kann ihre Inspiration hier gut nachvollziehen, das Land ist beeindruckend & bietet so viele Motive, sei es für die Malerei oder die Fotografie. Der raue Weststrand, die kalten Häuser, der ruhige Bodden, die wunderschöne Natur. Wäre ich Künstler, mir würde jede Menge einfallen, was man malen könnte. Leider habe ich auch heute wieder keine Kirche besucht, es ist schon spät & das Licht wird schlechter, weshalb ich den Rückweg antrete.

Es wird wohl ein pastellfarbener Sonnenuntergang. Ich mag die sanften Farben, weshalb ich mich noch einmal an Langzeitbelichtungen aus der Hand versuche. So darin vertieft, bekomme ich eigentlich gar nicht mit, was sich da vor mir anfängt, abzuspielen. Erst bricht die Sonne durch & färbt alles glührot (genau die umgekehrte Reihenfolge von heute Morgen), wow! Und dann werde ich staunend Zeuge einer der krassesten Sonnenuntergänge meiner Lebenszeit.

Die Farben sind so unwirklich, das ist eine Wucht, ich habe so etwas selten zuvor gesehen. Noch dazu spiegelt sich dieses wahnsinnige Rot in Wasser & Sand, so großartig, die Angler passen perfekt ins Bild & die landeinwärts ziehenden Vögel runden das Ganze noch ab. Unglaublich. Ich bete, dass irgendeins dieser Halb-Langzeitbelichtungen scharf ist. Alle Menschen ringsum sind von diesem Schauspiel angetan. Ich stehe mehr als einmal im Wasser & muss im Dunkeln zurück zum Auto - aber, mein Gott, das ist es wert. Dafür gibt es eigentlich keine Worte. So stark, so wuchtig, so lebendig, so so so faszinierend. Danke. Der Leuchtturm leuchtet & die Schiffe von Rostock/Warnemünde auch. Im Dunkeln am Strand ist es schön, der inzwischen dunkelblaue Himmel leuchtet immer noch leicht rot, hinter dem Deich zieht Nebel auf. Das wäre das perfekte Urlaubsende gewesen.

Tag IV im Jahr I - Ribnitz-Damgarten & Zingst

Tag IV im Jahr I - Die Bernsteinstadt & Zingst, dem Regen entgegen in zwei Welten

Für den heutigen Tag ist viel Regen angesagt. Morgens um 07 Uhr habe ich noch meine Zweifel daran, bleibe aber trotzdem liegen & starte den Tag entspannt. Ja, gut, es regnet, aber weder ergiebig noch länger andauernd. Beim Bäcker gönne ich mir ein Drei-Gänge-Frühstück. Da ist der Tag gerettet, sagt die Bäckersfrau. Zumindest der erste Teil, erwidere ich. Croissant, Brötchen, Apfelkuchen. Was will man mehr. Die Vermieter verlassen ihr Haus, ich tue es ihnen nach & fahre mal rüber nach Ribnitz-Damgarten, ich habe es irgendwie als Hansestadt in Erinnerung. Im Hellen überquere ich jetzt mal die Boddenbrücke, Meiningen-Brücke heißt das Bauwerk offiziell, bis 1947 als Eisenbahnbrücke für die Darßbahn genutzt, danach für den Kraftverkehr umfunktioniert. Inzwischen gibt es aber eine andere Brücke daneben, die auch für den Schiffsverkehr geöffnet werden kann. Ich dachte eigentlich, hier fährt wirklich noch eine Bahn. Zumal mein Navi auch noch Schienen bis Bresewitz anzeigt. Angeblich sei eine neue Bahnlinie in Planung & die momentane Brücke nur eine Behelfsbrücke... Ah, Provisorien halten eben am längsten, lasst euch das gesagt sein. Über eine neue Bahnlinie bzw. die Auflebung der alten ist man zweigeteilter Meinung. Man könnte sie eben nicht mehr da bauen, wo sie mal verlief - weil die 70 Jahre später halt schon mal etwas anderes steht. Verständlich. Die Insel ist klein, der Platz begrenzt. Natur braucht auch Platz. Mehr Autos sind aber auch keine Lösung. Schwierig. Wie überall. Über das Bodden-Vorland arbeite ich mich vor, Gut Glück fällt mir ins Auge. Wo bist du denn gewesen? Auf Gut Glück. Es ist die kleinste & wohl auch jüngste Ansiedlung der Gemeinde Fuhlendorf. Der Name geht wohl auf folgende Geschichte zurück: Ein Wanderer befand sich auf den Weg in die Stadt, als er auf der Höhe des heutigen Dorfes einen Mann, der dort ein Haus baute, was ihm ungewöhnlich erschien & er dem Mann zurief "Na denn, gut Glück!". Dinge, die man nicht wissen muss & jetzt nicht mehr vergisst. Auf einem Stoppelfeld sehe ich sie & mache fast eine Vollbremsung, Kraniche! Wusste ich es doch. Im Dorf halte ich & fahre zurück, einer Eingebung folgend habe ich sogar das richtige Objektiv dabei, halte am Straßenrand (glücklicherweise eine Feldeinfahrt), Fenster auf, Fotos machen. Die zwei Radfahrer hinter mir halten Abstand & scheuchen die scheuen Vögel noch nicht auf. Gegen Autos haben sie erfahrungsgemäß ja nichts. Ich liebe diese Vögel. Auch ein paar Orte weiter entdecke ich ein Grüppchen, ich halte noch einmal an. Schon praktisch, wenn man ein Auto hat, was ein bisschen Feld & Wiese abkann. Egal, wie der Tag noch wird, der Ausflug hat sich schon gelohnt.

Weiter geht's. Ich durchquere einen Ort namens Bartelshagen II. Wo ist denn dann Bartelshagen I? Ah, da, bei Marlow. Heißt tatsächlich so. Schräg. Links der Bundesstraße erstreckt sich ein endloses Feld, typisch DDR, Gott, wie lange es wohl dauert, das zu beackern? Heute vor 30 Jahren ist übrigens die Mauer gefallen. Der lokale Radiosender hat die ganze Woche schon diverse Gedankenexperimente gemacht - was wäre, wenn die Mauer nicht gefallen wäre? Ich befürchte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Vielleicht wäre meine ganze Ost-Reise nie möglich gewesen. Oder sie wäre "im Ausland". Ich hätte vieles nicht gesehen & erlebt. Ich bin so unendlich froh, dass es keine Mauern & auch keine Grenzen mehr gibt, zumindest hier in Europa. Dass ich mir keine Gedanken über Visa oder Handyempfang machen muss, wenn ich im Grenzland bin. Dass es keine Kontrollen mehr gibt & ich quasi überall hinfahren kann. Dass mich niemand festnimmt, weil ich etwas fotografiere oder unwissend unterstütze. Vielleicht reise ich deswegen lieber näher als ferner. So brauche ich keine Angst vor Gesetzen & Regierungen haben. Vorhin habe ich einen Artikel über das Reisen in der DDR gelesen. Recht auf Urlaub hatte jeder, Recht auf Reisen nicht. Plätze an der Ostsee waren beliebt & zu wenig, alles andere im Land zu naheliegend. Hier an der Ostsee war es für die Einheimischen Fluch & Segen zugleich. Man vermietete alles, was ging, selbst Platz im Garten, offiziell waren dann Freunde zu Besuch. Dafür kam es dann zu Versorgungsengpässen, keine Brötchen mehr beim Bäcker, kein Toilettenpapier etc. Pauschalreisen waren immer überwachungsbelastet. Manche durften sogar ins westliche Ausland reisen, aber nur ohne Partner/Familie & der richtigen politischen Einstellung. In die Freundschaftsstaaten (Ostblock) konnte man auch reisen, z.B. zum Goldstrand. Wobei da auch wieder die Wessis waren & DDRler dann nicht gern gesehen, dafür dann aber auf abseits gelegenen Zeltplätzen der im Schatten großer Urlaubsorte liegenden Örtchen. Die wiederum freuten sich dann über die Ostdeutschen. Man reiste fast immer mit Auto & Zelt, für Hotels reichte das Reisegeld nicht. Und in manchen Ländern konnte man sich mit Tauschgeschäften über Wasser halten. Man musste nur etwas Mut aufbringen, wenn man so individuell aufbrach & immer Gefahr lief, kontrolliert zu werden. Tja & heute? Spielt das alles keine Rolle mehr. Oder ist sogar im Trend. Aber egal, was die anderen sagen, das war früher definitiv nicht besser! Aber vielleicht nicht ganz unspannend.

Zurück zu Ribnitz-Damgarten. Bernsteinstadt. Zwei Grenzstädte, an der Recknitz gelegen, immer Gastgeber für den jeweiligen Kriegsführenden, Schweden, Russen, usw., im II. Weltkrieg kein Ziel der Alliierten, obwohl es ein wichtiger Wirtschaftsstandort war. Immer geprägt von der Zeit. Fischer, Schiffsbauer, Industriestadt. In den 50er Jahren dann zusammengelegt. Ribnitz geht auf seinen legendären Fischreichtum zurück, Damgarten auf Eichenberg oder so ähnlich. Groß ist die Stadt nicht. Und wie ich am Ende merke, auch bei weitem keine Hansestadt, sie lag nur im Einflussbereich der Rostocker Hanse. Ich starte meine Erkundung am kostenneutralen Gänsewiesen-Parkplatz & als erstes präsentiert sich das Rostocker Tor. Typischer Back-/Ziegelstein, leichte Ähnlichkeit mit Hansetoren, Überbleibsel der alten Stadtbefestigung - wie ein Ring angelegt, Kirche & Markt in der Mitte, parallele Straßen, wie ein Kreuz, ein Kloster am Rand, ein Hafen. Ich würde ja fast behaupten - der typische Stadtaufbau. Die Attraktivität der Stadt hält sich in Grenzen, es liegt mal wieder im Detail, die ein oder andere hübsche, teils auch beeindruckende Häuserfassade (oder Haustür), die Sichtweise. Ein paar kleine Lädchen, in einem (der Drechslerei) kaufe ich meine Postkarte, für selten so günstige 30 Cent. 

Es regnet übrigens so leicht vor sich hin, meistens doch zu wenig für den nervigen Schirm. Ich überlege ernsthaft, dem Bernsteinmuseum nicht nur von außen einen Besuch abzustatten. Das liegt im alten Kloster, hübsch gemacht. Bei einem Preis von 8,50€ zzgl. 2,50€ Fotografier-Erlaubnis drehe ich aber wortlos wieder ab. 11€. Wo sind wir denn hier? Ich gehe zurück zur "Hauptstraße" & begucke mir die Lädchen dieser Seite der Stadt. Ein Buchladen geht immer. Und der ist sogar hübsch, mit Café, liebevoll, gute Auswahl. Ich kaufe ein weiteres Buch über die Haustüren (die es mir ja gar nicht angetan haben!) & schöne Spruchkarten. Gegenwind formt den Charakter - wohl wahr. Die meisten Geschäfte machen um 12 Uhr zu. Wie früher. Am Marktplatz wird eine Jugendgruppe in die Freiheit entlassen, 14:20 Uhr kommt der Bus, hier sind die Geschäfte (von denen die meisten wohl geschlossen sind). Die Kids sehen mächtig begeistert aus, da hilft auch kein Google Maps. Glaubt mir. Am Rathaus steht auf einer Tafel, dass die Ribnitzer hier am 01.05.1945 die Hinrichtung von 800 Frauen verhindert haben, was mich zutiefst beeindruckt. Das Rathaus selbst ist zitronengelb. Irgendwie haben sie es hier im Osten mit diesen bunten Häuserfarben. Vielleicht weil früher alles so grau war. Im Westen ist mir das nur in Osnabrück so krass aufgefallen. Ich finde es super gut, so unkonventionell & sympathisch.

Ich schaue noch so hier & da. Ein wunderschön gestalteter Hinterhof mit Sonnenstudio & Kleinkrams zum Kauf auf Vertrauensbasis. Sowas geht wohl nur in Regionen wie dieser. Der Postfrau laufe ich x-mal über den Weg. Der Hafen ist wenig beeindruckend, zumal man hier den Regen deutlicher spürt. Die große Kirche hat leider zu, ich bin eher Unterstützer offener Kirchen, in so kleinen Orten aber wohl nicht machbar. Oder nicht notwendig. Und dann habe ich eigentlich auch schon alles gesehen, was ich für Innenstadt-sehenswert empfinde. Das hat mich jetzt ehrlicherweise nicht umgehauen, ich glaube, ich würde diesen Ausflug auch bei besserem Wetter & in einer anderen Jahreszeit nicht wiederholen. 11€ Bernsteinmuseum... Da zahlt man ja quasi schon den Bernstein mit. Also steuere ich noch die zweite Destination der Stadt an, die Aral Tankstelle. Was starrt der Meißener mich denn so an? Noch nie ein dreckiges, NE-Auto gesehen? Vor allem sieht der mich nicht nur einmal so an. Dann geht's über das Land zurück. Auch wieder Kraniche, aber dieses Mal ohne Anhalten. Mensch, ihr müsst doch mal langsam nach Hause. Also ins zweite Heim. Ich übrigens auch. Oder ihr bleibt den Winter hier, das geht natürlich auch, wenn ihr das möchtet. Bei mir leider nicht. 

Ich mache eine kurze Pause, bevor ich erneut aufbreche & mir noch Zingst ansehe. Dabei stelle ich fest, dass es ganz schön groß & vor allem verzweigt ist. Mal eben zum Strand ist hier vom Ortsende aus nicht. Hin & wieder sehe ich ein schönes (älteres) Haus, die Haustüren. Aber sehr viel neu, vielvielviel nur Ferienwohnungen bzw. -häuser. Alles ist so eng, wenig Platz. Es wirkt etwas überladen. Will man da mittendrin denn dann noch wohnen? Jemand fragt mich, wo es nach Zingst-City geht. Gute Frage. Ich gebe grobe Einschätzung ab, selbst orientiere ich mich am Meer & nach einem Gewirr kleinerer Straßen erreiche ich den Deich & auch den Strand. Der ist hier eigentlich ganz hübsch. Groß. Weit. Bis Prerow. 

Die Seebrücke ist fast wie überall, aber ein Detail macht sie besonders - die Tauchgondel. Das ist ja schon cool, das muss ich mir ansehen. 9€. Puh. Ein Meeresaquarium tut es eigentlich auch. Das Kurhaus sieht ziemlich gut aus. Alles hier ist leicht kunstangehaucht bzw. fotogen. Kein Wunder, es ist hier ja auch das offizielle Foto-Mekka der Ostsee. Für mehr Bilder von der kleinen Innenstadt wird es jetzt zu dunkel, aber der Regen hat aufgehört, die Wolken sind etwas wolkiger. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Zingst mag. Es erscheint mir wie das Westerland des Ostens. Eher für die Gutbetuchten. Im Gegensatz zu Prerow & Ahrenshoop merkt man das hier an Geschäften & Gastronomie. Für einen weiteren Aufenthalt auf dieser doch sehr schönen Halbinsel würde ich eher das bodenständigere Prerow bevorzugen. Zingst liegt halt nur gut, zentral. Kühlungsborn wäre ein weiterer Vergleich. Vielleicht muss ich aber einfach auch nochmal wiederkommen, um es besser beurteilen zu können. Werde ich mit Sicherheit.

Tag V im Jahr 1 - Der Weststrand & die Rückreise nach Westen

Tag V im Jahr I - Die Faszination des Weststrandes & das Ende einer Reise

Heute endet meine lange Reise, von der diese Halbinsel der letzte Teil war, es ist wolkig. Oder ist das möglicherweise Nebel? Ich habe die ganze Zeit "Go West" von den Pet Shop Boys im Kopf & dann läuft es tatsächlich beim örtlichen Radiosender, deutlicher kann ein Wink mit dem Zaunpfahl nicht sein. Langsam zeigt sich aber doch die Sonne, ich freue mich auf den Abstecher zum Weststrand, bevor es lange heimgeht. Im Auto bepacken bin ich inzwischen Weltmeister. Abschied von der Vermieterin, ich würde sehr gerne noch einmal wiederkommen, ich weiß nur wie immer nicht ganz wann & wie. Aber bleiben Sie bis dahin bitte gesund. Während ich die halbe Insel überquere, fällt mir eindrucksvoll auf, wie unterschiedlich das Wetter auf nicht einmal 20km sein kann - ich fahre mit Sonnenschein in Zingst los, durchquere dicken Nebel im Darßer Wald & komme mit Wolken am Weststrand an. Natürlich fotografiere ich auch noch den Baumstamm im Wasser (allerdings ohne Langzeitbelichtung) & wende mich direkt nach rechts. Der Nationalpark beginnt hier direkt, die Buhnen hören auf. Das Strandbild ändert sich vielleicht ein wenig, es wirkt etwas natürlicher - aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Im Laufe meines Spaziergangs lockert die Wolkendecke immer weiter auf. Da sich fotografisch nicht alle zehn Meter etwas ändert, beschäftige ich mich mit Muscheln gucken & sammeln. Denke darüber nach, dass wir früher immer die große, nicht kaputten Muscheln gesammelt haben. Warum eigentlich? Hier sind die Muscheln, wenn sie denn dann mal groß & heile geblieben sind, recht farblos. Die vielen kleinen Muscheln bieten dagegen alle mögliche Farben der Pastellpalette. Sind es nicht die kleinen Dinge, die alles ausmachen? Warum immer größer, schneller, weiter? Und ganz (& somit perfekt) ist doch niemand, wir haben alle Ecken, Kanten & Macken. Es muss keine ganze Muschel sein, solange ihre Farbe wunderschön ist. Das ganze Leben könnte so einfach sein, ohne der Erfindung des Perfektionismus & dem Streben danach. Und so bin ich mit Muscheln, dann Federn & Steinen sammeln beschäftigt, der Wind ist ordentlich & ich schaffe es fast, die anderen Menschen um mich herum komplett auszublenden. Bis auf den stumpfen Typen mit dieser spießig rot-schwarzen Funktionsjacke, der fast mein Bild sprengt & danach voll bescheuert überall signalfarbend im Bilde ist. Um mit dem Handy schlechte Fotos zu machen. Von diesem beeindruckenden Darßer Küstenwald.

Hier hat es schon so manche Birke/Kiefer/was auch immer umgehauen. Das sieht echt toll aus, mutet beim Handy schon karibisch an, der Sand so hell & die Kiefern mit ein bisschen Fantasie wie Palmen. Als Fotograf kann man sich hier echt ausleben. Ein kleiner "Baumhaufen" direkt am Wasser hat es mir angetan, die Färbung/Maserung des Holzes durch Wind & Wellen ist einmalig. Ich gebe mir richtig Mühe & bemerke fast gar nicht die alten Damen, die darauf warten, dass ich endlich fertig werde. Ja, sagen Sie doch was! Sie hätten nicht gedacht, dass das so lange dauern würde... Damit sie ein (vermutlich semi-gutes) Bild schießen können, um dann einfach weiterzugehen. Ja, sag mal, sieht denn hier niemand, wie wahnsinnig einzigartig das Holz aussieht? Wenn ich könnte, würde ich es mit heim nehmen. Manch einer hält ja noch nicht einmal an. Ich bin mir unsicher, was ich weniger nachvollziehen kann - die "An-allem-Vorbeirenner & schon-alles-Kenner" oder die "Ich-mach-nur-schnell-ein-Handy-Foto". Beide nehhmen meistens wenig Rücksicht auf andere. Umso dankbarer bin ich für die, die nicht stoisch durch jedes Bild rennen.

Ich verlasse den Strand, man muss ja mal über den Dünenrand hinausschauen. Der Wald ist irgendwie kurios, die Bäume wirken höher, als sie es eigentlich sind & der Adlerfarn wirkt niedriger, als er es tatsächlich ist. Alles in braun. Dahinter das Meer mit dem langsam blauer werdenden Himmel, der sandige Boden. Ein schönes Fleckchen Erde. Auch wenn ich heute nicht auf Anhieb einen markanten Windflüchter entdecken kann. Vielleicht aber auch besser, man muss ja nicht alles beim ersten Mal zu Gesicht bekommen. Zufrieden gehe ich langsam zurück. Viele machen hier ihren Strandspaziergang. Verständlich. Aber ich glaube, nicht alle können sehen, wie wunderschön die Details sind. Zum Beispiel der vom Meer angespülte Schaum, der im richtigen Licht in allen Regenbogenfarben glänzt. So schön, dass ich diese kleinen Wunder versuche, mit der Kamera einzufangen. Oder wie wahnsinnig klar das Wasser ist. Andere fahren in fremde Länder, vielleicht ohne überhaupt zu wissen, wie klar & türkis das heimische Meer sein kann. Ist das nicht  eigentlich ein bisschen schade, wenn man sein eigenes Land kaum kennt?