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Ameland - Nordseeinsel mit eigenen Charme

Ein Wochenende mit dem Wolf auf der wohl schönsten Insel der Nordsee

Wir starten Freitagmittags. Ich mit gemischten Gefühlen, das erste Mal seit 1,5 Jahren nicht alleine unterwegs. Durch NRW, die A57 ist bevölkert von Parookaville-Reisenden, es ist Sommer, die Autobahn selbst habe ich nicht vermisst. Es ist warm & schön, die Beifahrersicht ungewohnt. In Holland fahren wir eine ähnliche Route wie ich neulich nach Emmeloord. Nach dem Nationalpark de Hoge Veluwe bzw. Veluwezoom muss ich definitiv mal schauen, der Rothirsch macht mich neugierig. Vorbei an Zwolle (groß) & Meppel (bester Name), dann fahren wir durchs nördliche, sehr ländliche (geht's in Holland eigentlich noch ländlicher als ländlich?) Holland Richtung Nordsee. Es ist schön hier, weites Land, mir bleiben die vielen, recht kleinen Schafe in Erinnerung, sie sind super hübsch anzusehen. Nur der Deich trennt uns von der See, wir haben gut vier Stunden gebraucht, aber das ist voll im Rahmen. Wolfs Auto will anscheinend auch mal übers Wasser fahren (das Navi zumindestens), aber wir lassen es zurück auf dem riesigen Parkplatz am Hafen, natürlich stehen hier viele NRWler, was sonst. Die Fähre hat Verspätung, daher erwischen wir sie noch. Ein Trecker fährt auch mit, cool. Es ist voll, aber nicht schlimm. Es sind Sommerferien. Leider zieht es sich etwas zu. Die Sonne bildet mit den Wolken tolle Lichtformationen. Es ist Ebbe, soweit ich das beurteilen kann. Ich genieße die Nordsee. Und denke an meine bisherigen Insel-Besuche, ich habe seit der Sylt-Klassenfahrt auf keiner mehr übernachtet. Ich musste ja auch unbedingt eine Insel aussuchen. Doch ich freue mich trotz Zweifel, das wird schon. Die Fähre muss einen extremen Bogen fahren. Ein paar wenige Robben liegen so rum, viele Wattvögel, ich muss auch mal wieder eine Exkursion starten. 

Eine Stunde nach Abfahrt erreichen wir die Insel und nehmen die Fahrräder in Empfang, wow, das sind mal richtige Hollandräder. Nur ein Gang, Rücktrittbremse & eine Klingel. Minimalistisch. Sowas bin ich auch noch nicht gefahren, super ungewohnt, aber sehr cool. Welkom op Ameland. An den Bootshafen erinnere ich mich ganz schwach, Wir fahren die einzige Straße (schnurgeradeaus) nach Ballum, vorbei an Kiefernwälder, Wiesen, Gehöften. In Ballum angekommen, suchen wir das Apartment. Ich merke schnell, dass der Ort sehr hübsch ist. Das kleine Apartment ist ebenfalls hübsch, süß, vollkommen ausreichend für uns, teuer genug, ich hätte mir das niemals leisten können. Und wollen. Egal. Wir starten die Dorferkundung, was für unsagbar schöne Häuser & Gärten, Hortensien & Stockrosen in voller Blüte. Der Baustil ist einzigartig, keine roten, sondern gelb-grau-braune Klinker, sie wirken ein bisschen wie Sandstein. Die Häuser stammen aus dem 18. Jahrhundert und dann diese so einfachen, aber stilvollen Gärten, herrlich. Die Hauptstraße ist Baum-gesäumt, ich fühle mich tatsächlich wie in einer anderen Welt (& Zeit). Ich liebe Holland. Selbst die Nordsee ist hier einfach nur wunderschön. 

Wir suchen uns ein Lokal. Die Preise sind gut, aber Holland ist sowieso teurer & der Inselaufschlag ist auch nicht zu verachten. Das Lokal ist urig, bäuerlich eingerichtet mit lauter alten Geräten & einem Trecker, der in der Bar integriert ist. Der Burger schmeckt, das Fleisch ist etwas seltsam, wie eine Frikandel & viel zu viel. Mir wird schon ein bisschen schlecht, aber der Schokokuchen ist göttlich. Wir gehen noch raus zum Strand, am Flugplatz vorbei, jede Menge Pferde, ein riesiger Campingplatz mit den typischen Mobilheimen, einer hat es sich auf einen Hügel gestellt. Wie der Wolf sagt, einer muss es ja übertreiben. Es ist schon fast dunkel, man ahnt aber, wie riesig & schön der Strand ist, ich freu mich schon drauf. Wir kehren um und sehen noch den ein oder anderen kleinen Frosch oder Käfer unseren Weg kreuzen. Die Lampen sind etwas spacig, grünlich, sicher LED, vielleicht so innovativ, dass sie weniger schädlich für Insekten sein & Lichtverschmutzung vermeiden könnten - sie sind tatsächlich LED & sollen weniger irritierend für Vögel sein. Gute Nacht - leider nicht, aber sprechen wir nicht weiter darüber.

Der nächste Tag beginnt spät - wäre das mein Urlaub alleine, wäre das sicher nicht so. Aber ich bin geduldig, es kann nicht immer nur allein nach mir gehen (oder?). Es gibt ein spätes SPAR-Frühstück, die Holländer haben so viele leckere, süße Sachen, ich könnte alles davon essen. Es regnet etwas, aber das ist nicht schlimm. Mittags brechen wir dann endlich auf. Von Ballum geht's Richtung Ballumerbocht, vorbei an der Ameländer Bierbrauerei & dem örtlichen Trecker-Fest im Aufbau (es scheint größer zu sein als gedacht). Das Wattenmeer hat noch Wasser zu bieten, es ist gut windig, die Jack Wolfskin Kinderjacke macht sich gerade bezahlt. 

Es ist schön hier, am alten Hafen von Ameland, es gibt so viel zu entdecken - Austernfischer ohne Ende, eine mir nicht bekannte Blume (Echtes Leinkraut & Strandflieder), ein Austernfischer-Junges (deshalb machen die Eltern auch so einen Terz), mir unbekannte Enten (Eiderenten-Weibchen), die erstaunlicherweise Krebse fischen. Wir verbringen hier eine ganze Weile, diese endlose Ruhe hat ihren ganz eigenen Charme. Das bemerke nicht nur ich.

Nicht weit entfernt warten die Deichwärter, eine Skulptur, die den ewigen Kampf der Insulaner mit dem Meer verdeutlicht - halten die Deiche bei Sturm? Es ist eine sehr schön gestaltete Skulptur, die Figuren sehen wirklich detailgetreu und echt aus. Draußen auf dem Meer nutzen Kite-Surfer den Wind. Der Regen zieht an uns vorbei, auch das ist erfreulich und lässt den Himmel dramatisch aussehen. Die Tourist-Info Nes bietet viel, aber leider kein deutschsprachiges Buch über die Insel oder Postkarten von den einzelnen Orten, dafür aber einen Leuchtturm für die Sammlung. Nes ist das Herzstück der Insel. So viele Fahrräder, fast alle von der Handvoll Verleihern der Insel, Wahnsinn. Der Wolf gönnt sich ein Fischbrötchen, danach probieren wir uns durch die Kuchenauswahl des Café de Jong - und die schmecken wirklich alle gut. Die Galerie in unserem Sichtfeld sieht sehr exquisit aus - wer kauft denn sowas? Die Urlauber sind kunterbunt gemischt, es ist alles vertreten, aber die Deutschen, die erkennt man einfach sofort.

Der Ort bietet hübsche Geschäfte & hübsche Häuser und natürlich Eis. Ohne das geht es einfach nicht. Das Wetter wird wieder etwas schlechter, es scheint ein Gewitter aufzuziehen, wir fahren Richtung der Seen, das Freizeitgebiet De Vleijen. Zuvor kommen wir noch an der Phönix-Mühle & diesem verlassenen Schwimmbad vorbei - letzteres ist mega faszinierend, ich google es später. Es steht schon seit über 15 Jahren leer, ein paar Kids sind eingebrochen & haben ihre Entdeckungen im Inneren gefilmt, das ist schon recht gruselig. Das ganze Bad ist scheinbar mit Teerpappe oder ähnlichem abgedeckt, es sieht echt schräg aus. Ausgerechnet auf dieser Insel, die bis jetzt nur Schönheit zu bieten hatte.

Die Seen & das Freizeitgebiet De Vleijen sind genau so, wie ich mich spärlich daran erinnern kann - als wir damals mit der Segelfreizeit an genau dieser Insel angelegt haben -, die Burg & die diversen Spielmöglichkeiten, es ist super cool. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass ich eines Tages hierhin zurückkehren würde. Es regnet sich etwas ein, wir warten es ab & fahren dann raus Richtung Nordstrand. Der ist auch hier riesig & wunderschön. Der Weg zurück nach Ballum schlängelt sich durch die Dünen. Das Wetter ist wirklich einzigartig, vor uns ist es hell & sonnig, hinter uns verbleibt die fast pechschwarze Wand des abziehenden Gewitters. Ich kann mich kaum satt sehen & muss laufend stehen bleiben. Dieser Kontrast ist mit Worten kaum zu beschreiben, selten sind hell & dunkel so nah beieinander.

In den Dünen würde ich auch gerne zelten, enorm viele Decathlon-Exemplare, die sich im Wind nicht gerade sanft hin & her wiegen. Tolle Natur um uns herum, ich glaube, ich komme wieder. Wir erreichen Ballum, bringen die Räder zurück (bei Gegenwind gestaltet sich die Fahrt mit einem Gang echt schwierig) & gehen anschließend Pizza essen. Erst dort fällt mir auf, dass die Kamera einen Schaden erlitten hat, das Programmwahlrad hat einen Verlust zu beklagen & was nervt mich das gerade. Wahrscheinlich ist sie einmal zu viel beim Auf- & Absteigen gegen das Fahrrad geknallt. So ein Mist. Der Wolf trägt meine miserable Laune mit Würde & Fassung. Dafür bin ich hinterher sehr dankbar. Selbst die Pizza schmeckt hier anders, cremiger Käse, angeblich Mozzarella, ich denke da eher an eine Spezial-Mischung. Wieso verhalten sich Deutsche eigentlich immer so einnehmend? Ein bisschen Demut & Respekt wären insgesamt nicht verkehrt, auch Holland ist nicht Deutschland.

Die Softeis-Maschine ist defekt, kann es denn heute noch schlimmer werden? Das Marshmallow-Eis schmeckt schon leicht pervers. Statt den Sonnenuntergang am Strand zu beobachten (hätte sich auch nur bedingt gelohnt), schlendern wir durchs Örtchen & bewundern die Häuser. Aufgrund des Vorfalls hält sich meine Laune weiterhin in Grenzen (da bin ich echt machtlos gegen), dafür können wir beide heute Nacht besser schlafen. 

Am nächsten Morgen, unserem Abreisetag, starten wir wesentlich früher, es gibt erneut ein SPAR-Frühstück, allerdings in der Spar-Variante, sonntags ist die Auswahl wohl begrenzt. Dann fahren wir ein Stück des gestrigen Weges zurück - (m)eine idiotische Idee, ein kleines, sehr leichtes Kunststoffteil zu suchen, wo man nicht weiß, wann, wie & wo man es genau verloren hat, zudem war bzw. ist es sehr windig... Also breche ich die Suche lieber ab & wir gehen an den Ballumer-Blinkert-Strand. Der ist so wunderschön, kaum in Worte fassbar, und menschenleer. Wir legen uns in die Sonne & schlummern direkt weg. Der Sand ist so weiß & wahnsinnig fein. Wir spazieren zum Meer, es ist wie ein Paradies & ich kann gerade kaum glauben, dass hier Hochsaison ist - unterwegs sind nur ein paar Läufer, ein Vater mit seinen zwei Jungs, eine Reiterin mit ihrem durchs Wasser galoppierenden Pferd. Wie ist's hier dann wohl im Winter? Eine neue Dimension der Einsamkeit?

Wir brechen wieder auf, auf dem Radweg ist inzwischen einiges los, ein mobiler Eiswagen inklusive. Der Leuchtturm ist das nächste Ziel, vorher halten wir am Ballumer Strandhaus - flüchten aber vor den typischen Deutschen, zu windig, da guckst du in die Sonne, bla bla... Auch Richtung Hollum bzw. Leuchtturm führt der Weg durch die Dünen, stets mit Gegenwind. E-Bikes & E-Roller haben es da einfacher. Hübsche Reetdach-Ferienhäuser mit Leuchtturm-Blick, auch schön. Der Leuchtturm, offiziell ohne Namen, inoffiziell Bornrif genannt, steht sehr fotogen in einem Wäldchen vor Schäfchen-Wolken, die zwischenzeitlich die Form eines Herzens bilden. Mir fallen langsam gar keine anderen Worte mehr als wunderschön ein.

Am Leuchtturm ist viel los, erst scheint es so, als wäre er geschlossen, aber er hat geöffnet, na Gott sei Dank. 5,50€ Eintrittsgeld ist schon teuer, aber es lohnt sich - auch die 286 Stufen. Eine extrem enge Plattform rund um die Leuchtkugel des Turms & reichlich Wind erwartet einen am Ende des Aufstiegs, aber die Aussicht, die ist alles wert. Die Nordsee Richtung Vlieland funkelt blau-türkis. Diese Insel ist so wahnsinnig schön, wow, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich bin verliebt - wie jedes Mal nach einem Holland-Besuch. Wer braucht da schon ferne Länder, wenn das Gute doch verhältnismäßig so nah ist?

Wir radeln weiter nach Hollum, auch hier stehen hübsche Häuschen. Wir essen Fisch am Ortseingang, ich hätte gerne mit der sympathischen Dohle geteilt... aber besser nicht. Wir durchqueren das kleine Örtchen, im Vorbeifahren bestaune ich die alten Kapitänshäuser, z.T. aus dem 15. Jahrhundert - kaum vorstellbar, dass auf einer Insel etwas so lange überleben kann, in diesem steten Kampf der Elemente. Abseits der Hauptstraße fahren wir zurück nach Ballum. Ich kann nicht verstehen, wie man das Auto auf die Insel mitnehmen oder schlimmer noch, benutzen kann. Die Insel ist zwar 27km lang, aber davon sind vielleicht 15km mit dem Auto befahrbar - also das kann (& muss!) man auch anders lösen.

Wir holen unser weniges Gepäck & fahren zur Fähre. An der Brauerei probieren wir noch das waschechte Inselbier, das geht schon ganz gut. Wir nehmen denselben Weg wie gestern, entlang de Waddezee (wie man das Wattenmeer auf holländisch nennt). Wieder sind die Austernfischer mit einem sehr kleinen Jungen an Ort & Stelle. Mutig schlagen die Elternvögel die Silbermöwe in die Flucht. Sie sind wirklich robust, ich mag sie sehr. Weil der Wolf mal pinkeln muss, rasen wir nach Nes. Kaum zu glauben, dass man mit diesem Rad so schnell fahren kann. Wir gönnen uns noch ein Softeis am Ausweichstand, die Eisdiele ist einfach zu voll. Und zu langsam. Die Spatzen (Haussperlinge) betreiben ein Sandbad direkt neben unserer Bank, aber jedes Mal, wenn ich sie dabei fotografieren möchte, sind schneller weg, als man gucken kann. Verdammt nochmal. Ein paar wenige Schnappschüsse sind dennoch entstanden.

Wir nehmen die letzte Fähre, einige Treckerfahrer (vom Treckerfest?) sind auch dabei, ich mag die Burschen. Ein Fahrradfahrer schafft es noch aufs Schiff, bevor die Schranken schließen. Getoppt wird der aber noch von einem Holländer, der wie der Teufel um sein Leben rennt & es tatsächlich noch schafft, bevor wir ablegen. Den Applaus hat er sich redlich verdient. Durchs Watt fahren wir zurück zum Festland, Möwen begleiten uns, das Abendlicht ist wunderschön. Inzwischen bin ich mir mehr als sicher, dass ich erneut hierhin zurückkehren werde. Vielleicht aber allein. Der Weg nach Hause ist entspannt, knapp die Hälfte davon fahre ich, da der Wolf droht, sehr akut am Steuer einzuschlafen. Gegen halb zwölf sind wir in heimischen Gefilden. Für die Zeit zu Zweit war das Wochenende vollkommen ausreichend, für die Insel war sie viel, viel, viel zu kurz. Ich befürchte, Ameland ist wirklich die schönste Insel der Nordsee.

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