Ein Streuner entdeckt Deutschland
München - Die Entdeckung der Isar-Metropole in 20 Stunden
Tag I - Auf Tuchfühlung mit DER Bayern Metropole schlechthin
Die heutige Abfahrt ist auf 04:58Uhr terminiert, das ist früh, aber ich finde einen geeigneten Parkplatz am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Exy, ich hoffe, du stehst in 20 Stunden immer noch an selben Ort & Stelle. Ich bin viel zu früh & drehe so meine Runden, es ist wenig los, die S-Bahnen kommen so langsam in den Takt. Der Düsseldorfer Hauptbahnhof ist schon hässlich. Als ich vor 9 Jahren das erste Mal hier stand, gab es noch diese alten Anzeiger, die gedreht wurden. Ich werde nie vergessen, dass mich das schockiert hat. In meinem Sommeroutfit gebe ich ein komisches Bild ab, ein seltsames Trio beobachtet mich misstrauisch. Der Komfort Check-In funktioniert wieder nicht, in Köln Messe/Deutz steigen zwei wahnsinnig rücksichtslose Mädels ein, die sich auch noch als muffelig erweisen. Sie verschlafen die meiste Zeit, immerhin sind sie stille Stinker. In FFM wecken mich die Business People & die Skyline ist gefärbt von der aufgehenden Sonne. Offenbach, hässlich. Würzburg, ich erkenne dich an deinen Weinbergen. Nürnberg ist Grundig-Stadt, fällt gar nicht auf, der kilometerlange Komplex. Das nun folgende Land, sanfte Hügel, Orte mit Kirchen, die meiner Vorstellung entsprechen. München kommt in Sicht & dann sind wir plötzlich am Hauptbahnhof.
Ein Kopfbahnhof. Viele Menschen strömen mir entgegen, ich warte die Lemminge ab & sehe mich um. Grundig Werbung, wie in Hamburg. Ansonsten empfinde ich den Hauptbahnhof als reichlich enttäuschend, alt & hässlich. Nur die Ess-Meile macht einen exquisiten Eindruck - was nicht so wirklich zusammenpasst. Gibt's hier keinen Haupteingang? Wegweiser? Muss ich jetzt echt Google Maps fragen? Ich nehme natürlich den falschen Ausgang & umrunde den Bahnhof. Eine reine Baustelle. Die alte Eingangs-halle aus den 70ern wird kernsaniert (daher nur Seiteneingänge), es ist aber auch potthässliches Teil. Stadtrundfahrten - ich gehe zu Fuß. Erst einmal weg von der Hauptmarschrichtung, zum alten botanischen Garten, auf die Penner-Meile. Um halb elf kann man schon mal Bier trinken & die Zeitung studieren oder halbnackt mit den Kumpels Bank-Sonnenbaden. Das erste architektonische Highlight ist das Oberlandes- bzw. Landgericht sowie die zwei Politessen bzw. die Politesse mit ihrem männlichen Begleiter - wie nennt man den denn dann? Der Neptunbrunnen & die Blumen geben ordentlich was her, die Stadtratten (Tauben) weniger.
Der Alte Botanische Garten wird von der Stadt durch ein Eingangsportal abgegrenzt, meine Motivwahl findet Nachahmer. Bis jetzt erscheint mir die Stadt laut, eine riesige Baustelle, hin & wieder riecht es komisch. Das Fußgängerampelsystem & ich werden keine Freunde mehr, zumindest nicht am Lenbachplatz. Der Wittelsbacher Brunnen sieht hübsch aus, genauso die Fassade von Merck Finck. Ich muss mich mit dem Radweg arrangieren (in rot gibt's die hier nämlich nicht) & will gerade das Foto davon machen, da geht die Automatiktür auf - echt jetzt? In der Sonne ist's gut warm, ich arbeite mich Richtung Fußgängerzone vor. Viel Polizeipräsenz. Ich lasse den Karlsplatz außer Acht (später sehe ich von der Tram aus, wieso da so ein seltsam anmutendes Tor steht). Ich mag die Stadthäuser, kaufe bei einem der Stände Bodensee-Kirschen - naja, die Witzenhäuser Kirschen schmecken besser. Viel los hier. Die Bepflanzung gefällt mir, sie passt zwar nicht ganz ins Bild der Münchner Shopping-Meile, aber sie ist bunt & lebendig, das ist ziemlich cool. Der Augustiner Brau-Ausschank ist bereits gut gefüllt.
Die dominierende Kirche in der Altstadt trägt den Namen St. Michael, namentlich erinnert sie an den Hamburger Michel, aber der Erzengel ist kleiner & alles andere auch. Von innen kann sie sich dagegen wirklich sehen lassen & ist übrigens auch weiß, was wohl am Baustil liegt - Barock mit Renaissance-Überresten. 1€ pro Kerze finde ich übertrieben, zu sehr dem Touris angepasst. Am sitzenden Keiler & dem Fisch (repräsentativ für das Deutsche Jagd- & Fischereimuseum) biege ich links ab, das grüne Gebäude sieht gut aus, so gebogen - es ist das Polizeipräsidium. Die Augustinerstraße führt zum Frauenplatz, benannt nach der Frauenkirche, wie ich später lerne, dem Münchner Dom, ich muss wohl wiederkommen, weil den habe ich ausgelassen. Das Wasserspiel davor finde ich nämlich viel interessanter. Außerdem ist einer der beiden so berühmten Türme der Frauenkirche eingetütet (was ist in einer Stadt mal nicht Baustelle?). Ich gehe zurück zur Fußgängerzone, die liebevoll bepflanzten Fassaden geben echt was her, lasse mich treiben & schaue einfach nur.
Und dann stehe ich etwas unerwartet auf dem Marienplatz, eine Menschenmenge, das Glockenspiel. Ich bin wirklich etwas beeindruckt von dem Neuen Rathaus, es sieht großartig aus & erinnert mich sofort an Le Grand Place in Brüssel. Die Ähnlichkeit auf den ersten Blick ist verblüffend & die kommt nicht von ungefähr. Während das Brüsseler Rathaus 1455 vollendet wurde & nach diversen Schäden 1706 erneuert wurde, wurde das Münchner Rathaus Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, mit einer Bauzeit von über 40 Jahren, da man bereits vor Fertigstellung des Baus feststellte, dass er nicht ausreichte & direkt Erweiterungsbauten umgesetzt wurden. Ein Student gewann damals den Architektenwettbewerb, er nahm sich die Rathäuser Brüssels & Wiens zum Vorbild. Auch wenn sich die Ähnlichkeit auf dem ersten Blick nicht abstreiten lässt, unterscheiden sich die Bauten doch in den Details.
Aber zurück zu der Menschenmenge, wie viele Menschen einfach den Turm anstarren & mit ihrem Handy filmen. Ob die Café-Besucher nur deshalb eines der wahrscheinlich teuersten Cafés Münchens besuchen? Aber schon zehn Minuten später ist das Glockenspiel vorbei & die Masse verläuft sich. Es ist mehr als schwierig, den Bau aufgrund der Enge des Platzes (eine weitere Parallele zu Brüssel & dem Grote Markt) zu fotografieren, die Detailansichten sind da schon einfacher. Schon hübsch mit den Blumen, dem blauen Himmel & der einzigartigen Farbe des Gesteins. Man kann auf den Turm fahren, aber in der Touri-Info ist so viel los, zudem finde ich es unverschämt, 50 Cent für ein Faltblättchen mit Stadtplan zu verlangen. Also befrage ich Google Maps nach alternativen Möglichkeiten, vom Alten Peter hat man wohl eine mindestens genauso gute Aussicht.
Alter Peter wird die älteste erwähnte Pfarrkirche Münchens genannt, die Peterskirche. Sie steht auf dem Petersbergl, der einzig nennenswerten Erhebung der Altstadt Münchens. Sie wirkt unscheinbar, von innen ist sie dafür stark beeindruckend, ebenfalls barocke Gestaltung, die Wand- bzw. Deckenmalerei ist unglaublich - wie kann man denn eigentlich über Kopf zu solch künstlerischen Meisterwerken fähig sein? Ans Grüß Gott gewöhne ich mich wohl so schnell nicht. Der Aufstieg zum Turm ist mit 3€ Standard, die 300 engen Stufen auch. In solchen Situationen wären Schließfächer für Rucksäcke Alleinreisender ganz praktisch. Die Plattform ist natürlich ebenfalls eng, aber es lohnt sich, so sehr, die Blick aufs Rathaus, den Dom & die ganze Stadt ist einen Besuch wert. Die Sicht in die Ferne ist heute nicht so gut, aber man die Umrisse der Berge erahnen, ich liebe den Moment, wenn einem dann klar wird, wie riesig sie eigentlich sind. Runter geht's übrigens wie immer sehr schnell. Ich möchte den netten Mann an der Kasse eigentlich noch fragen, wie viele hier jeden Tag hochstiefeln, ich lasse es aber & gehe weiter. Eine kurze Pause am holländischen Käseladen, das sind echt viele Käseleibe. Noch ein Blick aufs Rathaus, einen auf die Heiliggeistkirche, dann biege ich ab zum Viktualienmarkt.