Ein Streuner entdeckt Deutschland
Der Habichtswald(steig) in Nordhessen
Eine Streckenwanderung in vier Etappen im Hochsommer durch unbekanntes Heimatland
Etappe 1 - Von Zierenberg nach Kassel-Wilhelmshöhe
Ich gebe zu, ich bin aufgeregt. Es ist meine erste Streckenwanderung, 85km an einem Stück zu Fuß.
Die Anfahrt etwas verspätet, ich schlängele mich schnell durch den beginnenden Berufsverkehr NRWs. Fühle mich einem LKW-Fahrer verbunden, der in einer Baustelle wegen einem Größer-als-2,10m-Helden auf einer maximal-2,10m-Spur eine Vollbremsung hinlegt & danach einfach ganz stur auf zwei Spuren fährt. Meine Begeisterung darüber kann ich ihm leider nicht mitteilen.
Die letzten Kilometer nach Zierenberg fahre ich über Land & ich sehe die heutige Etappe quasi vor mir. Vorfreude macht sich breit. Auch wenn es mir mehr als schwerfällt, XX auf einem Parkplatz in Zierenberg zurückzulassen. Es ist so ungewohnt, dass er nicht mit kann & ich nicht ganz so autark bin wie üblich.
Endlich bin ich startklar & am Marktplatz beginnen die 84,8km - wenn man es ganz genau nimmt. Zierenberg hat ein sehr hübsches Rathaus, aber ich beschließe, mir die Stadt am Tag der Rückkehr anzusehen, denn jetzt muss ich erstmal los. 09 Uhr, warm. Ob das wirklich eine gute Idee ist? Durch eine kleine Gasse geht's hinab Richtung Schreckenberg, über ein Schulgelände (seit wann macht man denn sowas?) & direkt in den Wald. Erster Anstieg Ahoi. Erste Hitzephase auch. Dennoch sind die Blauen Steine, dieses große Basaltgeröllfeld, sehr faszinierend. Wenig später stehe ich am Schreckenbergturm - und welchen Turm erklimme ich schon nicht? Die Treppe ist zwar gut eng, aber die Aussicht atemberaubend. Und der leichte Wind auch ganz nett.
Aufgrund der zunehmenden Außentemperatur werfe ich meine Vorsätze über den Haufen & steige auf eine kurze Hose um. Ich bereue, dass ich das passende Schutzmittel gegen Zecken zuhause gelassen habe (Dinge, die man nur einmal vergisst) & ich gestehe, dass ich mir einige Zeit einige Gedanken über mögliche Konsequenzen mache. Nichtsdestotrotz ist die Wegführung sehr angenehm, abwechslungsreich, Pfade statt breite Wege. Am Dörnberg-Areal angekommen, muss ich mich aufgrund des Wetters (& Getiers) für eins entscheiden - Panoramabilder oder Schmetterlinge & Co. Ich sehe mehr als schnell ein, dass es viel zu warm ist, um sich auf die Lauer zu stellen/zu knien. Vielleicht sollte ich lieber die Gesamtheit dieser Gegend einfangen. Die ist nämlich echt schön.
Der Alpenpfad am Dörnberg ist sehr interessant (ich komme definitiv wieder). Zwei Wanderer holen mich ein - ich bin mir sicher, sie gehen ebenfalls den Habichtswaldsteig. Ich begegne einem älteren Herrn aus der Gegend, der schon auf dem Rückweg ist & der hier viel wandert, dass er von der Schönheit des Ortes überzeugt ist, ist nicht verwunderlich. Ein bisschen beneide ich ihn, dass er bald zuhause sein wird.
Die Wacholderlandschaft ist großartig, selbst in der grellen Mittagssonne macht sie eine gute Figur. Insgesamt sieht der Dörnberg schon etwas seltsam aus - die eine Seite komplett bewaldet, die andere völlig frei. Halbglatze. So frei, dass hier ein Flugplatz zuhause ist. Neben diversen Ziegen, Schafen & Kühen.
Auf die Wichtelkirche wird leider nicht hingewiesen, man kann sie nur erahnen. Die Helfensteine dagegen sind nicht zu übersehen, sie bilden eine Landmarke ihres Gleichen. Gut, dass hier oben auf dem Berg etwas Wind geht. Es ist fast angenehm. Dennoch bin ich froh, dass das Café Helfensteine geöffnet ist & Leitungswasser schmeckte selten so gut.
Die Helfensteine sind nicht besonders groß & eigentlich auch nicht spektakulär, aber sie passen halt nicht in diese sonst so sanfte Hügellandschaft. Mit mehr als 10kg Gepäck (dabei habe ich kaum etwas eingepackt - dachte ich) ist so ein Anstieg echt nicht so leicht. Alles hier ist reichlich fotogen, weshalb mehr Fotos entstehen, als wahrscheinlich nötig gewesen wären. Noch ein Anstieg & dann ist der höchste Punkt der Reise erreicht, der Dörnberg. Leider gibt's hier kein Schild oder ein kleines Gipfelkreuz. Ich stehe lange da & sehe mir das Umland an, die zwei Mit-Wanderer überholen mich wieder. Auch sie würdigen dem Ganzen einen Blick, bevor sie sich aufmachen, während ich noch darüber nachdenke, wie schön meine Heimat doch ist & dass das Gute manchmal so nah liegt, man es aber erst viel später erkennt.